Zusammen mit Klute (1971) und Die Unbestechlichen (1976) bildet Zeuge einer Verschwörung die sogenannte „Paranoia-Trilogie“ in Pakulas Werk, wobei man Zeuge einer Verschwörung dann auch getrost als „Mutter aller Verschwörungsfilme“ bezeichnen kann. Dubiose Machtlenker, Deep State, allmächtige Organisationen, die im Hintergrund ihre manipulativen Fäden spinnen – was damals schlichtweg nur Teil der Popkultur gewesen ist, fand im Laufe der Jahre durch das verschwimmen der Grenzen zwischen Fiktion und Realität schon längst seinen lebendigen Output als Urban Legend wieder. Bezeichnend ist, dass Pakula ein wesentliches Element heutiger Verschwörungserzählungen und Systemwechselfantasien in seinem Film schon vorlegt, genauer: In dem minutenlangen Lehrfilm, den sich Warren Beatty später ansehen muss, ist sämtliche manipulative Macht- und Nationalsyntax, die gesamte Bildersprache heutiger influencierender Heimatverteidiger und Nationalisten, schon vorgegeben. Was Pakula damals für die Lehrfilm-Sequenz in viermonatiger Arbeit am Schneidetisch zusammenstellte, wurde im Laufe der Jahre ganz von selbst die Syntax-Blaupause sämtlicher Verschwörungs- und Befreiungsnetzwerke von heute. PLAION PICTURES brachte den suggestiven Klassiker nun im Heimkino heraus und spendiert zusätzlich noch eine Verlosungs-Blu-ray.
Originaltitel: The Parallax View
Regie: Alan J. Pakula
Darsteller: Warren Beatty, Paula Prentiss, William Daniels, Walter McGinn
Artikel von Kai Kinnert
Am amerikanischen Nationalfeiertag wird der US-Senator und Präsidentschaftskandidat Charles Carroll in aller Öffentlichkeit auf der Aussichtsplattform der Space Needle in Seattle ermordet. Es gib ein Handgemenge, der vermeintliche Attentäter stürzt in die Tiefe. Viele Fragen bleiben offen, sicher sei allerdings, dass es sich um einen Einzeltäter handelt. Drei Jahre später erfährt der Lokalreporter Joseph Frady (Warren Beatty), dass mehere Zeugen des Attentats unter ungeklärten Umständen ums Leben gekommen sind. Auch Joe war damals vor Ort und hat den Verdacht, die Todesfälle könnten Teil einer Verschwörung sein. Eine Spur führt ihn schon bald in die Kleinstadt Salmontail, wo er Hinweisen auf das Verschwinden von Austin Tucker, den Berater des ermordeten Senators, sucht. Bei seinen weiteren Ermittlungen begibt sich Joe in tödliche Gefahr und kommt schließlich einer ominösen Agentur namens „Parallax Corporation“ auf die Spur.
Für diesen Film hatte Pakula kein richtiges Drehbuch, eher nur eine grob skizzierte Richtungsvorgabe mit einigen Eckpunkten für Anfang, Mitte und Ende. Der Rest des Films wurde von Pakula über Nacht, also kurz vor dem jeweiligen Dreh, geschrieben und fand seine Motivation im Watergate-Skandal wieder, der damals als Anhörung parallel im TV lief. Ein Umstand, der Pakula dazu brachte, 1976 den kongenialen Die Unbestechlichen zu drehen. Pakula begriff die Stimmung im Land und verstand es, mit seinen drei Paranioa-Filmen die Verunsicherung der Gesellschaft einzufangen und auf verschiedenen Ebenen eine Reflexion anzubieten. Und wie es bei Pakula damals so üblich war, geschah dies auf einem hohen, kreativen Level, der sich völlig auf das Vorantreiben seiner Hauptfigur fixiert und auf jede dramaturgische Sperenzien verzichtet. Zwar bedient Pakula mit Zeuge einer Verschwörung alle amerikanischen Symbole der Hollywood-Unterhaltung (sogar eine Kneipenschlägerei, eine Explosion und eine Autojagd ist dabei), aber es gibt keinen weiblichen Gegenpart, keine Liebesgeschichte, keinen inneren Konflikt und keine Reise, die unser Held als Transformation zwischen Anfang und Ende durchmacht. Die amerikanische Kultursymbolik bleibt leer, denn der Film beginnt schon ab der ersten Einstellung mit seinem parallaxen Schwenk durch die Erzählung: nichts ist mehr so wie es scheint und verliert damit seinen ursprünglichen Wert. Permanente Verunsicherung ist das Ziel sämtlicher Verschwörer dieser Welt, denn die Verschwörung möchte erreichen, dass man auch der Verschwörung nicht mehr glaubt, da am Ende sich immer alles als „gefälscht“ heraus stellen wird. Wenn ich keiner Information und keiner Erkenntnis, egal von wo ich sie erhalte, mehr glauben kann, dann hat die Verschwörung erreicht, was sie erreichen wollte. Mit diesen Mechanismen spielt auf subtile Art und Weise Regisseur Alan J. Pakula, denn die Verschiebung eigener Sichtweisen, um einen neuen Blick auf Sachverhalte zu bekommen, ist zentrales Thema des Films. Dabei spielt es keine Rolle, ob die neue Sichtweise den Sachverhalt korrekt auffängt, wichtig ist ausschließlich die Verankerung der Botschaft, dass der Erhalt der Grundordnung nur durch die Anwendung von Gewalt möglich ist, bzw. ein Systemwechsel herbei geführt werden muss, um die Grundordnung wieder herzustellen.
Die großartige Kameraarbeit von Gordon Willis (Der Pate II, 1974) unterstützt das Gefühl der Bedrohung und Verunsicherung durch das Weglassen von Bildinformationen (denn auch die Verschwörung lebt durch das Fehlen von Informationen, nie sieht man ein Bild ganz, denn der Parrallax View gilt in jedem Augenblick), sowie durch große Totalen, in denen Warren Beatty verloren wirkt und wird dabei durch eine Tonmischung unterstützt, die für zusätzliche Verwirrung sorgt. Wo kommen Geräusche her, was sind das für Sätze im Hintergrund, die man in einer Bar hört? Die Musik Nino Rotas (Der Pate 1 und 2), der für den Soundtrack nur wenige Tage Zeit hatte, sorgt zusätzlich für ein undefiniertes Gefühl der Bedrohung. Der Film schließt mit einer raffinierten Klammer, er wiederholt die Szene der Kommission, die in der Eröffnung wie eine statische Theaterszene inszeniert wurde und in der letzten Einstellung seine bewegte Variation erfährt.
Zeuge einer Verschwörung ist intelligentes Politkino und mit einer der besten Polit-Thriller der 1970er.. Hochwertig inszeniertes Paranoia-Kino, technisch durchdacht und ohne SchnickSchnack stimmungsvoll konzentriert auf den Punkt gebracht. Spannend!
Das Bild der gesichteten Blu-ray ist sauber und satt, der Ton ist gut. Als Extras gibt es Original Kinotrailer und eine Bildergalerie.
Gewinnspiel:
Plaion Pictures spendiert Euch eine Blu-ray des Paranoia-Thrillers. Alles, was Ihr dafür tun müsst, ist bis zum Freitag, 16. August 2024 um 16 Uhr eine Mail mit dem Betreff „Paranoia“ an christian@die-medienhuren.de zu senden und folgende Gewinnspielfrage zu beantworten:
- Nenne die beiden Hauptdarsteller aus Alan J. Pakulas erstem Paranoiathriller Klute.
Wir wünschen wie immer viel Glück. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.
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