Erwähnt man japanische Horrorfilme, denken die Menschen meist an Riesenechsen oder gruselige, bleiche Kinder aus dem Totenreich. Doch es geht auch anders, wie Drehbuchautor und Regisseur Kiyoshi Kurosawa hier eindrucksvoll bewiesen hat. Zwar kommen auch hier Geisterwesen aus dem Jenseits zurück, doch handelt es sich dabei mitnichten um gruselige, bleichgeschminkte Kinder mit nassen Haaren. Nein, Pulse geht wesentlich subtiler vor und lässt seine Protagonisten vereinsamen, sodass diese depressiv werden und in den Suizid flüchten. Dabei ging der, mittlerweile 23 Jahre alte, Film recht visionär vor, denn bereits hier ist das Internet an allem Schuld. PLAION PICTURES spendierte dem Gruselschocker ein Mediabook innerhalb ihrer Japan-Horror-Collection. Diese müsst Ihr aber ausgerechnet im Internet bestellen (grusel) – und die Kritik gibt´s auch nur online (Doppel-grusel).
Originaltitel: Kairo
Drehbuch & Regie: Kiyoshi Kurosawa
Darsteller: Haruhiko Katô, Kumiko Asô, Koyuki, Kurume Arisaka
Artikel von Christian Jürs
Hollywood entdeckte Anfang dieses Jahrtausends, dass Horrorfilme aus Japan äußerst effektiv und unheimlich sind und plünderte den Fundus an spannenden Werken für ihre heimischen Remake-Produktionen, anfangs mit großem Erfolg. Ob The Ring, Dark Water oder The Grudge, sie alle basieren auf japanischen Gruselwerken, die mal besser und mal schlechter ge-remaked wurden. Auch Pulse, aka Kairo, wurde 2006 diese zweifelhafte Ehre zuteil, doch der Film mit Kristen Bell in der Hauptrolle war ein Stinker und ging an der Kinokasse unter. Kein Wunder, konnte das US-Machwerk doch zu keinem Moment mit dem hier vorliegenden Film mithalten.
Michi (Kumiko Asô) macht sich Sorgen um ihren Kollegen Taguchi (Kenji Mizuhashi). Dieser ist seit Tagen, ohne ein Lebenszeichen von sich zu geben, nicht zum Dienst erschienen. Da er wichtige Computerdateien, zwecks Bearbeitung, mit nach Hause genommen hat, sucht Michi ihn in seiner Wohnung auf. Was sie dort entdeckt, lässt sie erschaudern. Taguchi wirkt verwahrlost, distanziert und deutlich neben der Spur. Wie dramatisch die Lage wirklich ist, wird wenige Sekunden später klar. Denn als Michi ihrem Kollegen kurz den Rücken zudreht, erhängt dieser sich kurzerhand.
Als Michi einige Zeit später, gemeinsam mit ihren Kollegen Junko Sasano (Kurume Arisaka) und Toshio Yabe (Masatoshi Matsuo), die Computerdateien, an denen Taguchi gearbeitet hatte, überprüft, findet das Trio Beängstigendes. Ein Link, den sie in seinen Unterlagen finden, führt das Trio auf eine beängstigende Webseite. Natürlich klicken die Kollegen darauf und prompt erscheint auf dem Bildschirm ein dunkles, unheimliches Bild von Taguchis Wohnung, inklusive einer Reflektion seines Gesichtes darauf. Als Yabe kurz darauf einen verstörenden Anruf erhält, bei dem er Taguchis Stimme wahrnimmt, der ein „Hilf mir!“ zischt, begibt er sich in die Wohnung des Verstorbenen. Dort, wo einst die Leiche Taguchis hing, befindet sich nun ein dunkler, menschenförmiger Fleck an der Wand. Als Yabe später auf dem Heimweg eine rotumrandete Tür am Nachbarhaus entdeckt, betritt er neugierig den Raum. Ein großer Fehler, wie sich herausstellt, denn hinter dem roten Rahmen befindet sich das Grauen.
Dies ist nur der Auftakt zu einer Reihe von verstörenden Ereignissen, die über die Stadt hereinbrechen. Immer mehr Menschen nehmen sich das Leben, immer leerer werden die Straßen und jeder, der einen Blick auf die geheimnisvolle Webseite wirft, vereinsamt nach und nach und scheint allmählig den Verstand zu verlieren. Dabei gelangen Regisseur Kiyoshi Kurosawa ungemein bedrückende Aufnahmen menschenleerer Wohnungen und Straßen. Die Betonwüste scheint langsam zu sterben – und Schuld daran trägt das Internet. Eine enorm weitsichtige Prämisse, die in Pulse geschaffen wurde, denn 2001 steckte das World Wide Web noch in den Kinderschuhen. Die Auswirkungen, die es tatsächlich auf die Welt haben würde, waren noch nicht absehbar.
Dystopische Endzeitfilme, in denen die Protagonisten durch menschenleere Straßen laufen, gibt es zuhauf. Doch hier ist die Einsamkeit greifbar nah. Man spürt den schleichenden Wahnsinn, der aus der Vereinsamung resultiert förmlich. Es erschaudert einen, wenn Charaktere plötzlich erste suizidale Wesensveränderungen an den Tag bringen und ihre Freunde dies hilflos mitansehen müssen. Lediglich die gelegentlichen, im Rechner entstandenen, Geistererscheinungen wirken heute ein wenig angestaubt, doch kann man es dem Film nicht ankreiden, schließlich kann er nichts dafür, dass die Technik in den letzten zwanzig Jahren hier deutlich voranschritt. Gegenüber seinem lahmen US-Remake hat dieser Film trotzdem deutlich die Nase vorn.
Plaion Pictures spendierte Pulse endlich hierzulande ein HD-Release. Doch solltet Ihr jetzt kein Weltwunder im Bereich Bildqualität erwarten. Das Bild ist, wie so oft bei älteren, asiatischen Filmen, recht grobkörnig und ein wenig verschneit, allerdings ist dieser Umstand der Atmosphäre sogar dienlich. Natürlich wird auch im Bonusbereich ein Maximum geboten. So gibt es Interviews, ein Making of, eine Dokumentation zu den Spezialeffekten, Trailer, eine Bildergalerie sowie weitere Featurettes. Im Inneren des wunderschönen Mediabooks, welches sich perfekt in die J-Horror-Collection einfügt, befindet sich ein von Christoph N. Kellerbach verfasstes, sehr informatives, Booklet aus stabilem Papier.
Fans japanischer Horrorfilme werden um die Veröffentlichung dieses Kleinods nicht herum kommen.
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