Drei Jahre ist es mittlerweile her, dass der sympathische Haudrauf Jean-Paul Belmondo, von seinen Fans liebevoll Bébel genannt, für immer seine Augen schloss. Ganz Frankreich trauerte um seinen Volkshelden, der über Jahrzehnte sein Publikum mit aberwitzigen Stunts und flotten Sprüchen begeisterte. Mittlerweile ist auch sein Synchronsprecher Rainer Brandt von uns gegangen, der Belmondo hierzulande mit seinen flapsigen Sprüchen seit Mitte der Siebziger unterstützte. TURBINE MEDIEN gedenkt den beiden Legenden nun mit ihrer Premiumedition zum Actionkracher Der Aussenseiter, die grandioses Bonusmaterial beinhaltet.
Originaltitel: Le Marginal
Regie: Jacques Deray
Darsteller: Jean-Paul Belmondo, Henry Silva, Maria Carlos Sotto Mayor, Pierre Vernier, Tchéky Karyo
Artikel von Christian Jürs
Die jüngere Generation dürfte hierzulande mit den Schultern zucken, wenn man den Namen Jean-Paul Belmondo erwähnt. Viel zu selten werden seine Werke im hiesigen TV versendet und bei den Streamingdiensten wird man auch kaum fündig. Ich hingegen, Baujahr 1975, habe bereits zu Kindheitstagen Komödien wie Das As der Asse oder Ein irrer Typ rauf und runter geschaut. Doch Jean-Paul Belmondo war als Schauspieler noch wesentlich vielseitiger. Zu Beginn seiner Karriere trat er im französischen Kino des Nouvelle Vague auf, etwa im kultigen Außer Atem, später sah man ihn vermehrt in Abenteuerfilmen wie Der Teufelskerl – Ich bin der Grösste oder Abenteuer in Rio und schließlich folgte die Ära des Actionfilms, wobei besonders Filme wie Der Profi oder Der Greifer populär waren.
In diese Spätphase fiel auch Der Aussenseiter, der vom Publikum gefeiert wurde, bei den Kritikern jedoch sauer aufstieß. Grund für diese Missgunst war, neben der selbstjustizhaltigen Gewalt, vor allem der Rassismus, dem man dem Actionthriller, nicht ganz zu Unrecht, vorwarf. So macht man sich hier über Homosexuelle lustig, während Türken und Farbige allesamt als Verbrecher dargestellt werden. Vermutlich der Hauptgrund, warum man Der Aussenseiter heute nicht mehr im TV erspähen kann.
Doch ganz so verbissen sollte man an diesen Klassiker des französischen Actionkinos nicht herangehen. Es waren halt andere Zeiten und allzu ernst nimmt sich die französische Antwort auf Dirty Harry auch nicht. Hier stehen Action und coole Sprüche im Vordergrund, garniert mit einem der coolsten Filmbösewichte vom Dienst: Henry Silva. Wer also auf brachiale Action steht und zum Lachen nicht in den Keller geht, der könnte bei Der Aussenseiter gut aufgehoben sein.
Der Film beginnt mit einem Vorspann, in dem wir Belmondo mit dem Zug ans Set fahren sehen (bzw. seine Figur an ihren Einsatzort), während der geniale Soundtrack von Maestro Ennio Morricone erklingt. Zwar wurde dieser nicht so populär wie das legendäre Chi Mai, welches in Der Profi genutzt wurde (und bereits zehn Jahre zuvor im Liebesdrama Maddalena, welches hierzulande allerdings nie erschienen ist), der Titelsong ballert aber trotzdem ordentlich rein und geht ins Ohr.
Bébel spielt Kommissar Philippe Jordan, einen knallharten Hund, der von seinen Vorgesetzten nach Marseille geschickt wird, um den dortigen Drogenhandel zu unterbinden. Jordan muss ein populärer Polizist sein, da sogar die Tageszeitungen über seine Versetzung berichten und Gangsterboss Sauveur Meccacci (Henry Silva) damit in Aufruhr versetzen. Er ist sich sicher: Der Bulle muss weg, sonst wird ihm und seinen Jungs noch Hören und Sehen vergehen.
Meccacci soll Recht behalten. Kommissar Jordan ist noch keine zwei Filmminuten in Marseille, schon prügelt er einem Kleingangster die Adresse des nächsten Drogenschmuggels aus der Visage. Da seine Kollegen allesamt nichts draufhaben, schnappt sich Jordan flugs einen parat stehenden Hubschrauberpiloten und springt auf besagtes Schnellboot, welches voll mit Kokainpäckchen gefüllt ist. Doch Jordan denkt gar nicht daran, die Drogen in die Asservatenkammer zu bringen, stattdessen wirft er die heiße Ware einfach über Bord. Drogen bei die Fische!
Jordans Vorgesetzte sind aufgebracht, Merccacci aber noch wesentlich mehr. Also jubelt man dem knallharten Cop die Leiche des unfreiwilligen Informanten unter, weswegen dieser nach Paris strafversetzt wird, wo er fortan kleinere Vergehen bearbeiten soll. Doch wer glaubt, dass damit die Angelegenheit vom Tisch ist, der irrt. Und so macht sich Jordan weiterhin auf, dem Drogengangster und seinem Kartell das Handwerk zu legen.
„Ich kann alles, ich bin der Größte!„
Jean-Paul Belmondo auf den Spuren von Dirty Harry. So in etwa könnte man Der Aussenseiter kurz und knapp zusammenfassen. Der beliebte, französische Filmstar bietet hier eine grandiose One-Man-Show, gespickt mit halsbrecherischen Stunts, bei denen der damals bereits 49-jährige Schauspieler sich mehrfach verletzte. So gut wie die Action auch heute noch aussieht, war es diese Pein aber absolut wert.
Neben Bébel und Henry Silva überzeugt auf Darstellerseite vor allem Pierre Vernier als sympathischer Inspektor Rojinski, der Jordan öfters den Rücken freihält. Als Love Interest wurde die attraktive Maria Carlos Sotto Mayor besetzt, die zu dieser Zeit mit Belmondo in einer Beziehung steckte. Dies merkt man ihrer Chemie deutlich an. Ach ja, ein blutjunger Tchéky Karyo ist ebenfalls dabei als kleiner Ganove.
Der Aussenseiter befindet sich im ungekürzten HD-Master von Studiocanal auf Scheibe Eins und sieht, bis auf ein paar grisselige Nachtszenen, einfach fantastisch aus. Der deutsche Ton ist ebenfalls toll, was wichtig ist, zumal die deutsche Synchro eine echte Perle ist (wo sonst hört man Namen wie Federpupe?). Es gibt einen Audiokommentar vom Regisseur, die Dokumentation Schnodder-Dub, ein Audio-Interview mit Rainer Brandt und eine Trailershow. Auf Disc Zwei befindet sich dann der Knaller: Die Dokumentation Belmondo von Belmondo aus dem Jahr 2009, in der der alte Bébel von seinem Sohn nochmal an alte Drehorte gefahren wurde und alte Wegbegleiter ein letztes Mal traf. Auch hier kann man wahlweise die deutsche Überstimme anwählen, bei der ebenfalls Rainer Brandt für Jean-Paul Belmondo einsprach. Eine zu Tränen rührende, letzte Reise. Das i-Tüpfelchen ist das 48-seitige Booklet von Tobias Hohmann mit dem Titel Belmondo – Actionstar.
Auch wenn die internationalen Kritiken anderer Meinung sind, verspüre ich ganz viel Liebe für diesen Reißer, den ich erstmals vor etwa dreißig Jahren in der Schütte vom Deutschen Video-Ring entdeckte und umgehend mit Kollege Kai Kinnert bei einem Sixpack goutierte – leider geschnitten. Trotzdem hatten wir Spaß – und der hält bis heute an. Danke, Turbine Medien, für das Füllen dieser Lücke im Sammlerregal. Eine tolle Veröffentlichung.
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