Angeblich soll es nur 14 Menschen auf diesem Planeten geben, die von Jackie Chan noch nie gehört haben. Nachprüfen kann ich diese Aussage natürlich nicht, aber ich halte sie für realistisch. Jackie Chan ist immerhin eine Marke, ein Label – und ein Versprechen. Generationen von Filmfans sind mit ihm aufgewachsen, ähnlich beliebt wie Bruce Lee oder Bud Spencer, prägte Jackie Chan ein ganzes Genre mit seiner Person, wurde sogar selber zu seinem eigenen Genre. Für viele Menschen ist Jackie Chan ein Türöffner ins Hongkong-Actionkino gewesen, ähnlich wie John Woo, denn der Mann setzte den Stunt-Level in seinen 1980er-Produktion verdammt hoch und sorgte so für brachial-geile Action. In dieser Blütephase des Schaffens drehte Jackie Chan seine legendären Filme, von deren Energie er noch heute zehrt. Mit der Zeit wurde allerdings auch Jackie Chan älter und musste mehr auf seinen Körper achten, was zur Folge hatte, dass in aktuelleren Produktionen bei den Stunts reichlich getrickst wurde. Ein Umstand, den es zu Zeiten von Police Story & Co nicht gegeben hat. Es verdichtete sich auch die Taktzahl von eher unterdurchschnittlichen Produktionen, in denen Jackie nur eine Nebenrolle spielte und mehr als prominente Werbung auf dem Cover verbraten wurde. Traditionell drehte Jackie Chan Filme für die ganze Familie, nicht umsonst sind die meisten seiner Produktionen zum chinesischen Neujahr gestartet, dem Zeitraum, in der die Familien in Hongkong und China gerne ins Kino gegangen sind, und brach dabei nur selten aus der Rolle des Universalunterhalters aus. Dazu kam der Erfolg im Ausland und Jackie begann ab den 1990er-Jahren seine Produktionen irgendwie knuffiger und breiter aufzustellen. Es zog eine gewisse Albernheit in Form von seltsamen Kopfbedeckungen, bunten Klamotten oder Kämpfen im Bällebad ein, denn Jackie war immer sehr erpicht darauf, eher den drolligen Kerl von nebenan zu geben als den harten Actionhund. So wurden dann seine aktuelleren Produktionen auch zunehmend uninteressanter, da er sich entweder in unerträglichen US-Produktionen wiederfand oder in chinesischen CGI-Lowrider-Produktionen sein Glück suchte. First Strike ist so ein Produkt an eben dieser Schnittstelle zwischen Hongkong-Kino alter Schule und einer kompatiblen Öffnung für den internationalen Markt. PLAION PICTURES bringt den Klassiker aus Jackie Chans Portfolio nun im Mediabook heraus.
Originaltitel: Ging chaat goo si 4: Gaan dan yam mo
Regie: Stanley Tong
Darsteller: Jacky Chan, Jackson Lou, Annie Wu, Bill Tung
Artikel von Kai Kinnert
Auf der Suche nach einer Kontaktfrau in der winterlichen Ukraine kommt Supercop Jackie aus Hongkong mehr durch Zufall einer gefährlichen Verschwörung auf die Spur. Terroristen haben einen Atomsprengkopf entwendet und planen nun Erpressungen im ganz großen Stil. Ohne zu zögern, nimmt Jackie den Kampf gegen die Bösewichte auf und das gleich über mehrere Kontinente.
Das mit den 14 Menschen auf diesem Planeten habe ich mir natürlich ausgedacht. Ich hatte aber mal von 21 Leuten gehört, aber das soll jetzt nicht das Thema sein, Jackie Chan ist Jackie Chan, da muss man eigentlich nicht viel zu besprechen. First Strike – Erstschlag ist der vierte und letzte Film aus der originalen Police Story-Reihe, ehe er 2004 mit New Police Story einen Neustart der Reihe ansetzte, dem dann Police Story – Back for Law (2012) folgte und aktuell mit New Police Story 2 (2025) erweitert wird. Wie dem auch sei, man kann es drehen und wenden wie man möchte – es ist alles nicht mehr wie früher. Während Police Story 1- 3 fulminantes Actionkino war, schwächelt jeder weitere Anschlussversuch am Alter seines Hauptdarstellers und an der zunehmenden Trickserei bei den Kämpfen, sowie den launigen Albernheiten, von den Jackie Chan einfach nicht seine Finger lassen kann. Viel zu selten gibt es Ausnahmefilme wie The Foreigner (2017, Regie Martin Campbell), die das Alter und die Charaktervorliebe von Jackie Chan für „einfache Leute, die in große Action geraten“ nutzen, um damit glaubwürdige Actionfilme zu drehen, die ohne dämliche Mützen und Gezappel auskommen. Stattdessen gibt es mit Rush Hour 4 eine weitere filmische Drohung für 2025. Es ist zu befürchten, dass Jackie Chan da nicht mehr die Kurve kriegen und uns kein reifes Karriere-Meisterwerk mehr abliefern wird. Wahrscheinlich ist The Foreigner schon der beste und letzte ernsthafte Film in der Karriere Jackie Chans.
In First Strike zieht es den kleinen Inspektor Chan nun in einen internationalen Spionagefall, der irgendwie an James Bond erinnert. Es gibt viele wechselnde Schauplätze, irgendwas mit Atombomben, Geheimagenten, einem U-Boot und eine große Sequenz in Eis und Schnee, die einem beim Zusehen fast schon körperlich schmerzt. Doch im Gegensatz zu den drei Vorläufern will bei diesem Werk der Funke nicht so recht überspringen, denn hier ist alles irgendwie im Ungleichgewicht. Die Eis-Sequenz ist zwar recht beeindruckend (Jackie quält sich ohne Thermoanzug und Handschuhe durchs echte Eis), aber schlichtweg zu lang und ohne nennenswerte Steigerung. Der nächste Gänsehaut-Moment ist dann das Balancieren in schwindelnder Höhe auf dem Fenstersims. Auch das ist nicht neu, wohl aber stets effektiv. Gerade für Menschen mit Höhenangst ist diese Szene durchflutet vom wohlig-kribbelnden Schauer. Der größte Moment des Films ist dann auch der Moment, der am ehesten im Gedächtnis bleibt: Der Kampf mit der Leiter.
Dieser minutenlange Kampf mit der Hailo-Alu-Klappleiter ist ein echter Fingerklemmer und bestens choreografiert. Von dieser Art an Action hätte der Film noch zwei, drei weitere Stationen gebraucht, denn die Nummer ist wahrlich artistisch, sehenswert und als einzige Szene dicht dran an den ersten Police Story Filmen. Im Grunde ist First Strike – Erstschlag sogar nur dieser eine Kampf mit der Leiter, denn sobald der Abspann durch ist, erinnert man sich nur noch an diese Szene und an Jackies kalte Finger im Eiswasser.
Der große Vorteil von Jackie Chans Filmen ist, dass seine Hongkong-Produktionen zeitlos sind. Seine Darbietung an Action und Stunts folgt keinem Zeitgeist, sondern nur der Machbarkeit – und damit bleiben seine Filme auch heute noch sehenswert, wenn man denn über die eingestreuten Albernheiten hinwegsehen kann. First Strike – Erstschlag verpasst eine Reihe an Chancen und etabliert zunehmend die Spaßkanone Chan, punktet dafür aber mit seinen Eis-Stunt und der grandiosen Nummer mit der Leiter. Da gab es schon Filme, die deutlich weniger geboten haben. Wer sich die besten Jackie-Chan-Filme ins Regal stellen möchte, wird bei diesem Film zögern, die Fanbase darf aber bedenkenlos zuschlagen.
Zur Sichtung lag nur der Rohling mit der internationalen Fassung vor. Hier war das Bild soweit gut und sauber, der Ton ebenso. Als Extras gibt es Trailer, die Langfassung, eine Bildergalerie und ein Booklet.
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