Das Setting klingt vielversprechend: eine lange Brücke, Nebel, ein schwerer Unfall, Teile der Brücke stürzen ein und 161 Menschen sind darauf in nebliger Nacht gefangen. Auf der einen Seite brennt die Brücke mit einem Giftgas-Tank und auf der anderen Seite fehlen entscheidende Teile. Man sitzt fest und muss auf Rettung warten. Das wäre auch kein Problem, gäbe es da nicht die auf Killerhund gezüchteten Rottweiler, die Teil eines militärischen Experiments sind und plötzlich kein Herrchen mehr haben. Dafür aber in beiß-freudige Stimmung geraten. Der Trailer verspricht eine Stimmung irgendwo zwischen „Silent Hill“, „Der Nebel“ und „30 Days of Night“. CAPELIGHT PICTURES brachte den Creature-Kracher aus Korea nun bei uns im Heimkino heraus.

Originaltitel: Talchul: Project Silence

Regie: Tae-gon Kim

Darsteller: Sun-kyn Lee, Ji-hoon Ju, Hee-won Kim, Sung-keun Moon, Soo-jung Jee, Tae-woo Kim, Hee-bon Park, Ju-hyun

Artikel von Kai Kinnert

Dichter Nebel umhüllt Südkoreas kilometerlange Incheon-Brücke und verursacht eine verheerende Massenkarambolage samt Explosion. Den Überlebenden, darunter Jung-won und seine Tochter Kyung-min, steht sogar noch Schlimmeres bevor: Auf einer Seite droht die Brücke einzustürzen, auf der anderen dringt giftiges Gas aus einem Lkw. Doch die tödlichste Gefahr lauert in einem geheimen Militärtransporter, welcher bei der gigantischen Kollision ebenfalls zu Schaden gekommen ist.

Ich könnte hier in einem Spannungsbogen auf das Fazit dieses Films hinarbeiten – lasse es aber, denn der Film hat keinen Spannungsbogen, dafür aber eine Menge an Vorhersehbarkeit und noch mehr an recht durchschnittlichen Spezialeffekten. Für Project Silence hat man das Studio kaum verlassen, hier wurde fast alles aus dem Computer generiert. Nebel, Hunde, Unfälle, Feuer, Hintergründe, Kulissen, Hubschrauber: die Effekte-Schmiede DEXTER hat den Film fast komplett mit der Maus erstellt, einzig die Schauspieler sind noch echt gewesen.

Dadurch entsteht im Film eine gewisse Seelenlosigkeit der Umgebung, der Film wirkt merkwürdig leer und blutarm im doppelten Sinne. Zur technischen Ödnis gesellt sich noch ein inhaltliches Tristes, denn überraschenderweise ist das sonst so wendungsreiche und originelle koreanische Kino in diesem Falle von völliger Vorhersehbarkeit und Ideenarmut geprägt. Alles in diesem Film entwickelt sich so, wie man es erwartet und lässt dabei auch noch Chancen auf Spannung liegen. Die Massenkarambolage ist ein kraftloses Zusammenschieben von digitalem Blech und wird noch getoppt durch den Tanklaster, der, fernab jeglichen Realismus, auf die Seite kracht und wie am Band gezogen die Autos in Schrittgeschwindigkeit zwischen den Leitplanken zusammenschiebt. 161 Menschen sitzen nun auf der Brücke fest, und wir erleben nur, keine Ahnung, zehn von ihnen, wobei das ältere Ehepaar natürlich sterben wird, denn sie hat auch noch Demenz, also sind beide per se nutzlos und dienen der Kindergarten-Dramaturgie dieses köterhaften Katastrophenfilms als Hundefutter. Und so geht es weiter: die Golf-Spielerin ist deswegen Golf-Spielerin, damit sie später Golfbälle zur Hundeablenkung schlagen darf, dann der lustige Typ mit dem Abschleppwagen – er dient zur humoristischen Auflockerung und er hat einen Universalschlüssel, der jedes Auto starten kann, dann gibt es da den Typen von der Regierung, der unfreiwillig das Project Silence bewilligt hatte und vom Arschloch zum rettenden Anführer mutiert, gefolgt von seiner Tochter, die keine Funktion hat, außer den Hund des Abschleppwagen-Typs zu retten, was uns zu dem kleinen, süßen Hund von dem Abschlepp-Kerl bringt, der aber auch keine Funktion hat – außer niedlich zu sein. Usw usf. Ach stimmt, da ist noch der Doktor, der das Experiment betreute und keine Lösungen parat hat, sowie die Brücke selber, die immer dann weiter kaputt geht, wenn das Drehbuch mit einem Abschnitt fertig ist und man einen neuen Level an Gefahren benötigt. Und natürlich wollen die Offiziellen nicht, dass jemand gerettet wird. Surprise!

Und die Hunde? Who let the dogs out? Irgendwann geht ja die große Attacke der Hunde auf die Menschen los, da muss es doch was Packendes geben? Blut? Dynamik? Spannung? Denkste! Die Hunde haben – für mich – keinerlei Bedrohung dargestellt. Ganz im Gegenteil. Der bullige Köter mit dem Maulkorb ist mir fast ans Herz gewachsen, war der Hund doch irgendwie knuffig. Sein Maulkorb sollte wohl als Rammbock dienen, denn warum trägt ein Killerhund sonst einen Maulkorb aus Stahl? Zwar rammt der herzige Hund mal auf eine Windschutzscheibe ein, aber das war es denn auch mit dem Nutzen des Maulkorbs, mehr gibt es da nicht zu bewundern. Der Rest der Meute ist austauschbar und flitzt – mehr oder weniger gut animiert – durchs Bild und irgendwo wird irgendwer gebissen. Die Action verschwindet im Nebel der Beliebigkeit, dass lässt einen alles komplett kalt, hier gibt es keine Figur, um die man sich als Hauptakt irgendwie Sorgen machen könnte. Genauso schnell wie es anfing, ist es auch wieder vorbei, und man fragt sich, wo denn der Regisseur geblieben ist, wo ist in diesem zentralen Moment des Angriffs eigentlich die Creature-Horror-Topaction geblieben? Was ist eigentlich der Grund für diesen Film? Der Nebel?

Nach und nach zerbröselt also die Brücke und nach und nach wird das menschliche Kanonenfutter im dunstigen Nebel weniger. Von 161 Menschen bleiben fünf oder sechs über (inklusive eines total niedlichen kleinen Hundes) und man sieht von der Dezimierung im gesamten Film nur drei oder vier Leute auf FSK-Level 12 in wenigen Sekunden sterben. Der Rest verpufft im digitalen Nebel einer filmischen „Totalen“ und schon ist es auf der Brücke leer und öde!

Ist denn alles Mist an diesem Film? Nein. An einigen Stellen sehen die Effekte der Hunde recht gut aus und auch die Explosionen sind gelungen. Der Film hat brauchbare Ansätze, kümmert sich jedoch nicht darum. So bleibt der Creature-Horror einfach ungenutzt liegen und verstrickt sich lieber in Dialogstrecken, anstatt im fiesen Nebel alle Möglichkeiten der Spannung auszunutzen. Die Figuren haben keine Funktion und nur wenig Charakter, außer das, wozu sie überhaupt ins Drehbuch geschrieben wurden. Der Abschlepp-Kerl schleppt später ab, die Golferin schlägt später Golfbälle, wer Demenz hat stirbt und der Ehepartner folgt alsbald nach, denn was soll man nach 50 Jahren Ehe noch alleine auf der Welt? Soldaten sind standesgemäß dem Tode geweiht, der Hauptdarsteller stellt sich gegen seinen Arbeitgeber und auch der Doktor bekommt, ob seines medizinischen Frevels, sein Fett ab. Da haben mir die Hunde schon mehr leidgetan als die Menschen. Der klobige Kläffer mit Maulkorb war einfach niedlich!

Project Silence macht mit seinem gelungenen Trailer eine Menge TamTam um etwas, was der Film nicht einhalten kann. Als wenn der Streifen am Reißbrett zusammengeschustert wurde, dümpelt das Event spannungsarm, ohne biss und voller Selbstzweck vor sich hin. „Die Actionszenen sind der Wahnsinn“ raunt die Filmwerbeseite Filmthreat.com zwar auf dem Cover, aber „Wahnsinn“ war hier nur, wie die Actionkompetenz des koreanischen Kinos vom Regisseur komplett ignoriert wurde. Die Schauspieler sind gut und es passiert auch immer irgendwie etwas, es bringt aber nichts, die Sache bleibt ein effektvolles Abspulen vorhersehbarer Szenen und langweilt damit. Meine Sympathie galt den Hunden und dem Typen mit dem Abschleppwagen und sein kleiner Hund. Der war gut.

Das Bild der gesichteten Blu-ray ist sauber, satt und klar, der Ton ist gut.

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