Schickt eure Kinder ins Bett und geht am besten gleich mit, denn was uns ULTRAVISUAL FILMS hier offeriert, ist auf so viele Arten verstörend wie nichtssagend, gewollt künstlerisch und dabei Fantasie- und Kreativlos, dass es schmerzt. Schaut man sich nur die eigene Filmbeschreibung an, könnte man noch hoffen, dass man es hier mit einer Mischung aus Menschenfeind (1998) und Guinea Pig (1985 – 1992) zu tun hat, aber dem ist bei weitem nicht so. Liest man die Beschreibung, erwartet man einen Film mit psychologischen Einsichten, eine Handlung, einer wirklichen Idee oder Aussage. Dies alles bleibt uns dieses Machwerk allerdings Schuldig. Was Mikel Balerdi hier in 71 Minuten dem Zuschauer anbietet, soll natürlich kein normaler Film sein, aber wo bei David Lynchs Frühwerken ein gewisser Sog, ein fast verstehen und das filmische Handwerk den Betrachter gespannt und neugierig an den Bildschirm fesseln, lässt Balerdi selbst den wohlwollendsten Gore Hound oder „arte-Versteher“ Verständnisslos zurück. Warum die harten Worte? Ist es die Abscheu vor dem gezeigten, die Ekel-Szenen oder die pornografischen Einlagen? Nein, leider nicht. Das Problem bei diesem Film ist viel schlimmer, und um das zu belegen, lasst uns die Dunkle Reise in die Welt von Mikel Balerdi antreten und gemeinsam Crisálida durchleiden.
Originaltitel: Crisálida – La Semilla
Regie: Mikel Balerdi
Darsteller: Mikel Balerdi, Xochitl María Espinoza, Roberto Santos
Artikel von Kai Michael Netthorn
„Handlung„: Ein von inneren Dämonen geplagter Patient. Ein Psychiater. Selbstverstümmelung. Eine blutige Geburt. Eine totgefolterte Ehefrau. Masochismus. Sadismus. Paraphilie. Mord. Nekrophilie.
Dann setzen wir uns mal mit dem Hauptfilm auseinander. Der Titel, Crisálida, bedeutet auf Deutsch Puppe, im Sinne vom verpuppen, der Zusatz „La Semilla“ ist wiederum „Der Samen“ und „Salir de la Crisálida“ ist dann das Ausschlüpfen.
Der Vorspann beginnt mit Einblendungen verschiedener unangenehmer Masken, teilweise blutverschmiert. Das Bild ist auf alt getrimmt, wirkt rissig und schmutzig, hauptsächlich in Rot und Blau gehalten. Zusammen mit dem Soundtrack baut sich erstmal eine gewisse Spannung auf, im Verlaufe des Films wird die „Musik“ aber immer mehr zu einem Sinnlosem Geknurpse und Geschmatze und wirkt eher wie eine beliebige Untermalung, Hauptsache grausig.
Eine Babypuppe wird unterschiedlich auf einem Tisch drapiert, Nahaufnahmen des Hinterns lassen schon hier eine unangenehme Sexualisierung spüren. Dann sehen wir die Hauptperson, „gespielt“ von Herrn Balerdi himself, der in einem Voiceover davon Berichtet, dass er es wieder getan hat und nun Hilfe bei einem Psychiater suchen will. Ab hier dürfen wir nun manchmal die Therapiegespräche miterleben, alles weiterhin in wackeligen schiefen Bildern, aber hauptsächlich schauen wir zu, was der Patient alles so macht und träumt.
Unterteilt in Kapitel, die jedes Mal wieder hoffen lassen, das es nun anders wird, sehen wir verschiedenste Abartigkeiten, es beginnt mit Selbstverstümmelung, am Liebsten am eigenen Penis im Close-up, Prothese oder nicht, das ist wirklich unangenehm zu sehen, geht weiter zur Penetrierung einer Frau mit der Hand von hinten, abermals Nahaufnahmen und Hardcore, einer Geburt mit einem Baby das eher wie ein Kopf am Stock aussieht, und danach sehen wir, wie er die Mutter gefangenhält, tötet und den Leichnam oder dessen Schädel immer wieder mit seinem Penis penetriert. Überhaupt wird hier viel und gern gewichst…oder mit Kot gespielt.
Dadurch das alles immer nur in wackeligen Close-up‘s und meist ohne Gesichter gezeigt wird, der Patient trägt oft eine Maske, wirkt das trotz einer gewissen Chronologie absolut willkürlich. Es gibt gegen Ende des Films noch einen Moment, in dem der Psychopath fast von der Polizei erwischt wird und im Finale hat er die Erkenntnis, dass der Therapeut, dem das Gehörte scheinbar etwas zu sehr gefällt, nun zuviel weiss und er nach dessen Beseitigung nun wieder zur seiner Tochter geht, die ihm alles glaubt, auch die Geschichte vom Unfall der Mutter. Man hört noch das die Tochter nach ihm ruft und er erwidert, sie solle in der Wanne auf ihn warten, er käme gleich.
WTF? Die Handlung macht einen Bruchteil des Films aus, wenige Minuten wenn’s hochkommt, und das tut es, denn der Rest ist nur Gematsche, ohne dass man die Möglichkeit hat, irgendwie eine Verbindung zu dem Film aufzubauen. Stattdessen sehen wir ewig lang, wie irgendwo rumgeschnitten wird, wie ein Penis malträtiert wird oder in einem Totenschädel versenkt wird, immer und immer wieder, eine Ewigkeit lang. Es gibt keine echte Verbindung zum Gezeigten, alles ist nur Stückwerk und wirkt nie wie eine Gesamtheit, was bleibt ist eine Blutige, eklige Bilderflut ohne wirklichen Kontext, wie in einem Standard-Porno sieht man keine Menschen agieren oder Emotionen sondern nur Teile, Mechanik, ohne echtes Leben. Das langweilt nach kurzer Zeit extrem, wird höchstens dann und wann unterbrochen von einem „Was soll das?“, „Nicht wirklich“ und „Warum?“.
Diese Antworten bleibt der Film Schuldig und ich kann nur abraten. Er wäre eventuell noch als Kunstperformance im Hintergrund auf der Leinwand irgendwie akzeptabel, aber als eigenständiger Film ist das nur unangenehmer Schund und man hofft beim Sichten des Films von niemanden überrascht zu werden.
Aber eventuell sollte ich den Kurzfilmen auf der DVD noch eine Chance geben, denn einiges entfaltet sich erst im Kurzformat und bei langer Laufzeit verliert es jede Würze, also Kurzfilm 1, here we go:
Dog Smile (17 Minuten)
Wir sehen wie unser Protagonist einen Hund einschläfert, mit Spritze, um ihn dann zu sezieren, mit Hauptaugenmerk auf seinen Kopf und die Augen. Unser Schlächter ist ganz Körper geschminkt wie man es sich bei einem Kannibalenstamm vorstellt und kann es sich nicht verkneifen auch hier wieder zu wichsen und mit dem leblosen Hundekadaver zu kuscheln. Man hat nie wirklich das Gefühl, dass hier (Gott bewahre) ein echter Hundekadaver genutzt wurde und die Nahaufnahmen laden eher zum Rätseln ein, was man hier gerade sieht. OK, der Stil bleibt also gleich und die Langeweile wächst.
Nächster Versuch:
Umbilical (Nabelschnur) (17 Minuten)
Das Erste, was auffällt, ist der übertrieben laute Soundtrack, der die Ohren bluten lässt. Er besteht auch wieder nur aus Geknurpse und Geschmatze, diesmal aber aufgelockert mit Menschengewimmer. Eingeleitet wird der Film durch ein Zitat: „Eurem Schaden werden gerechte Tränen folgen“ (Dante, Göttliche Komödie)
Wir sehen erst, wie ein junger man erniedrigt und beleidigt wird, vermutlich von seiner Mutter. Er bekommt zum Essen mit Schrauben und Rasierklingen versetzten Brei, dann kommt es zur Retourkutsche und er tötet die Frau. Es wird wieder geschnippelt. In einer traumartigen Sequenz sehen wir ihn mit einer umgehängten Brust seiner vermeintlichen Mutter und blonder Perücke. Beendet wird dieses „Kunstwerk“ mit einem Treffen bei Freunden wo er eine Frau trifft, die aussieht wie seine Mutter/die getötete Frau. Na gut, das Anfangszitat war nett.
Aber ein Master Piece haben wir noch:
Cat (3 Minuten)
Eine gehäutete Katze, aufgehängt über einer Badewanne. Alles blutbeschmiert und an der Wand steht: „Amos Los Animales“. 3 Minuten mit Wackelkamera aus verschiedenen Perspektiven gefilmt. Zum Glück ohne Soundtrack.
Wer jetzt noch nicht genug hat, kann sich noch den Kurzfilm von Androstaub ansehen, wo neben dem Gewichse auch endlich mal gekotzt wird. Das fehlte ja noch. Danke dafür, aber ansonsten die gleiche Machart.
Das war es dann auch mit den Bonussen, keinerlei Erklärung oder Einordnung.
Fazit:
Wer schon Werke von Ballerdi kennt und ihnen tatsächlich etwas abgewinnen kann oder sie im Hintergrund seiner nächsten Gore-Party laufen lassen will, viel Spaß, allen anderen rate ich aus vollem Herzen ab.
UltrAVisuaL Films Link: