Kowloon Walled City war bis 1993 bei 1,3 Millionen Einwohnern je Quadratkilometer der Ort mit der höchsten Bevölkerungsdichte der Welt. Dann wurde der improvisierte Stadtteil abgerissen und lebte fortan nur noch als kultige Kulisse in älteren Hongkong-Filmen weiter. Walled City war ein besonderer Stadtteil, die Schauspieler des Films erzählen im Making Of davon. Walled City war nicht nur von großer Armut und architektonischem Improvisieren geprägt, sondern auch von einem großen Zusammenhalt und einer besonderen Hilfsbereitschaft. Viele Flüchtlinge strandeten hier und bauten eine Parallelgesellschaft auf, wobei die beliebteste Beschäftigung der Einwohner das gemeinsame Essen bei TV und Videofilmen waren. Regisseur Soi Cheang (Accident – Mörderischer Unfall, 2009) baute die engen Gassen, Hinterhöfe und Räume detailliert nach und schmiss seinen Hauptdarsteller Raymond Lam mit reichlich Wuxia-Kämpfen in eine neon-durchflutete Reminiszenz an das Hongkong-Kino der späten 1980er-Jahre. Doch während heute bei Filmen wie John Wick die meisten Stunts nur im Computer inszeniert werden, drehte man hier wie einst in den 80er-Jahren: mit zusammengeschraubten Seilzügen, Drähten und Zuggurten, wobei grüne Lappen in der beengten Studiokulisse später am Rechner durch räumliche Tiefe ersetzt wurden. Der Look des Films ist großartig. PLAION PICTURES bringt den Film nun in verschiedenen Editionen im Heimkino heraus.

Originaltitel: Jiu Long cheng zhai · Wei cheng / Twilight of the Warrior: Walled In

Regie: Soi Cheang

Darsteller: Raymond Lam, Louis Koo, Sammo Hung, Philip Ng, Aaron Kwok, Richie Jen

Artikel von Kai Kinnert

Hongkong in den 1980er Jahren. Die Kowloon Walled City ist ein gesetzloses Niemandsland, das von den gefürchteten Triaden beherrscht wird. Der Ort zieht unzählige Ausgestoßene an und wächst innerhalb kürzester Zeit unkontrolliert in die Höhe, bis er schließlich die höchste Bevölkerungsdichte der Welt aufweist. Auf der Flucht vor dem mächtigen Triadenboss Mr. Big (Sammo Hung) sucht der illegal eingewanderte Chan Lok-kwun (Raymond Lam) Zuflucht in Kowloon, wo er unter den Schutz von Cyclone (Louis Koo), dem Anführer der Zitadelle, gestellt wird. Gemeinsam mit den anderen Verbannten seines Clans müssen sie sich der Invasion von Mr. Bigs Gang stellen und den Zufluchtsort, der für sie die befestigte Stadt geworden ist, verteidigen.

Es ist ein Film mit Qualitäten. Da ist auf der einen Seite die wirklich gute Ausstattung und detaillierte Kulisse der Produktion, die geradezu liebevoll dem Original nachempfunden und am Computer gekonnt erweitert wurde. Look, Lichtsetzung und Atmosphäre sind sorgfältig inszeniert und lassen die Künstlichkeit des Sets vergessen. Walled City ist bunt, düster und eng, fast wie ein Comic, in dem die Figuren in comichafte Kämpfe verwickelt werden. Genau das war ja auch der Plan, denn Vorlage für diesen Film ist der gleichnamige Graphic Novel. Getragen wird das Geschehen durch Raymond Lam, der sich als Flüchtling mit der Triade von Sammo Hung anlegt und ihn beraubt, daraufhin panisch in die Walled City flüchtet, wo ihn der Clan von Louis Koo erst gründlichst vermöbelt und dann als neues Mitglied aufnimmt. Raymond Lam fügt sich in die neue Gesellschaft ein, findet Arbeit und schließt mit Louis Koo und seiner Truppe Freundschaft. Es ist auch ein Film über Freunde, vier Freunde, um genau zu sein, die sich zusammentun und gegen Sammo Hungs Triade antreten. Es geht auch um die Vorherrschaft in Walled City, wobei Louis Koo und Sammo Hung eine gemeinsame, freundschaftlich-verfeindete Beziehung haben und einst legendär gegeneinander angetreten sind. Und so drängt Sammo Hungs Triade in das Gebiet von Louis Koo und will nicht nur Raymond Lam platt machen, sondern die alten Rechnungen mit Koo begleichen, der, gezeichnet von gereifter Lässigkeit, nicht nur schwersten Lungenkrebs hat und als Friseur arbeitet, sondern auch noch ein großer Kämpfer ist. Louis Koo ist eine weitere Qualität des Films, der hier selten cooler war und als Schauspieler von seinem Alter attraktiv profitieren kann.

So aber auch Sammo Hung mit Schnauzbärtchen, dem das Gesicht des alternden Kämpfers steht und im Nahkampf noch immer gut in Form ist. Laufen und Springen ist nicht mehr so sein Ding, aber der Mann hat die gefühlte Kampf-Kompetenz von 1000 Filmen und 300 Jahre Hongkong-Kino in den Knochen und ist Filmgeschichte. So gönnt sich City of Darkness, neben der optischen Verneigung vor dem legendären Stadtteil, auch eine filmgeschichtliche, wenn man denn Jackie Chans Police Story dazu zählen möchte. Gleich zu Anfang gibt es eine Verfolgung Raymond Lams durch die Gassen von Walled City, die auf einem fahrenden Doppeldeckerbus mündet und bei der Vollbremsung durch den Bus eben Police Story zitiert: zwei Leute fliegen beim Bremsmanöver aus dem Bus und klatschen vor ihn auf den Asphalt. Was bei Jackie Chan noch ohne Tricks als halsbrecherische Nummer mit echtem Asphalt inszeniert wurde, wurde sie 2024 aus Sicherheitsgründen am Computer montiert. Die Stunts bei City of Darkness waren bei weiten nicht mehr so schmerzhaft, wie es einst bei Jackie Chans Stuntmen Team zuging. Dem Vergnügen an diesem Film tut das aber keinen Abbruch, denn hier passt alles irgendwie in das optische Konzept des Films zusammen.

Regisseur Soi Cheang bringt hier seine filmische Idee ziemlich solide auf den Punkt. Auf der einen Seite sollte City of Darkness wie ein Hongkong-Film der späten 80er wirken, auf der anderen Seite aber auch von der Atmosphäre und den Freundschaften in Walled City erzählen – und dies alles im gestalterischen Rahmen einer Graphic Novel, getragen durch eine tolle Ausstattung und einer souveränen Besetzung. Es macht Spaß, sich diesen Film anzusehen, denn Soi Cheang inszeniert mit Schwung und einer gewissen Dreckigkeit, die eben bezeichnend für das Hongkong-Actionkino vergangener Tage war. Dabei wird reichlich auf Wuxia zurückgegriffen, für den einen oder anderen vielleicht sogar zu viel. Mich störte es nicht, ist es doch ein wesentliches Element chinesischer Filmproduktionen. Wenn es jedoch Gekloppe in engen Gassen gibt, bleibt die Angelegenheit eher bodenständig und verzichtet auf die Tricks mit den Seilzügen.

City of Darkness ist gekonnt inszeniertes Retro-Kino aus Hongkong und wurde mit viel Liebe zum Detail versehen. Kamera, Musik und Ausstattung sind von hoher Qualität, die meisten Tricks aus dem Computer passen sich gut in den Look des Films ein, die Besetzung macht Spaß und an Action hat man hier eine Menge zu verarbeiten. Die Choreographien sind gut, wobei für meinen Geschmack mit einem Quäntchen zu viel an Schnitten gearbeitet wurde. Mit dem, damals deutlich langsameren Schnitttempo und längeren Kampf-Einstellungen, wäre Soi Cheang eine 100prozentige Verneigung vor dem Hongkong-Actionkino gelungen. Aber das ist nur Jammern auf hohem Niveau.

Das Bild der gesichteten Blu-ray ist sauber, bunt, satt und klar, der Ton ist gut. Als Extras gibt es Trailer, Interviews, Making Of, Behind the Scenes und eine Tour durch die Kulisse des Films.

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