Im November 1989, nach 28 Jahren, fiel die Berliner Mauer und der Kalte Krieg endete. Doch Atomic Blonde erzählt uns eine ganz andere Geschichte. Die Geschichte einer Agentin, die inmitten dieses historischen Ereignisses das coolste und stylischste Blutbad seit John Wick anrichtet…
Regie: David Leitch
Darsteller: Charlize Theron, James McAvoy, John Goodman, Til Schweiger
Artikel von Christian Jürs
Berlin im November 1989. Deutschland steht kurz vor der Grenzöffnung und Ronald Reagan hält seine berühmte Ansprache („Mr. Gorbatschow, tear down this wall!“). Doch wir sehen eine andere Geschichte, wie uns der Film gleich zu Beginn informiert. Anstatt das historische Ereignis zu bezeugen, begleiten wir die MI-6 Agentin Lorraine Broughton (Charlize Theron), die in dieser brisanten Zeit eine Liste mit Agentennamen sicher stellen muss. Sollte diese in falsche Hände geraten, wäre das Ende des Endes des Kalten Krieges somit hinfällig. Ihr britischer Kollege Gascoine (Sam Hargrave) segnet bereits in den ersten Filmminuten das Zeitliche. Ein Auftakt, der unglaublich ruppig daher kommt und die Marschrichtung für alle weiteren Ereignisse vorgibt. Auch das erste Zusammentreffen zwischen dem örtlichen MI-6 Agenten Percival (James McAvoy) und Lorraine verläuft nicht ohne Todesopfer. Diese stammen jedoch von KGB-Seite und zeigen, dass mit unserer Heldin nicht gut Kirschen essen ist. Da wird aus der Not heraus ein Pfennigabsatz zur tödlichen Waffe. Fortan versucht sie die oder den Mörder Gascoines zu stellen, die Liste sicherzustellen und dem Stasi-Aussteiger Spyglass (Eddie Marsan) die Flucht aus der Zone zu ermöglichen. Hierbei trifft sie auf allerlei undurchsichtige Gestalten, wie zum Beispiel die junge Französin Delphine („Mumie“ Sophia Boutella) oder den Uhrmacher (Til Schweiger) mit Unterweltkontakten. Als besonders gefährlich (und scheinbar unzerstörbar) erweist sich jedoch ein russischer Killer mit blondierten Haaren (Daniel Bernhardt), der sich an ihre Fersen heftet und als gnadenlose Zerstörungsmaschine wie der russische Terminator anmutet.
Die Geschichte um Agenten und Doppelagenten ist eigentlich simpler als es scheint, wird jedoch gekonnt verwoben erzählt. So schildert uns Lorraine ihren Berlintrip mehrere Tage später bei einem MI-6-Verhör, an dem neben ihrem Vorgesetzten Gray (Toby Jones) noch der MI-6-Chef (James Faulkner) und der CIA-Agent Kurzfeld (John Goodman) teilnehmen. Die Spuren in ihrem Gesicht (und am ganzen Körper) deuten dabei bereits knüppelharten Kampf mit gebrochenen Knochen und viel Blut an. Eine gekonnt inszenierte Rahmenhandlung, die gegen Ende an Bedeutung zunehmen wird.
Inszeniert hat diesen packenden Agententhriller, der auf dem Comic „The Coldest City“ basiert, „John Wick“-Co-Regisseur David Leitch, auf dessen Konto demnächst auch „Deadpool 2“ gehen wird. Somit sollte klar sein, wo der Actionhammer hängt. Tatsächlich stehen die Actionszenen denen des Keanu Reeves-Vehikels in nichts nach, auch wenn hier der Fokus weniger auf Action und mehr auf die Agentenstory gelegt wird. Im Grunde kommt „Atomic Blonde“ sogar wesentlich brachialer daher. Hier gibt’s ordentlich auf die Schnauze, sowohl für die Bösewichte, als auch für unsere Titelheldin. Höhepunkt ist zweifelsohne eine Plansequenz, in der unsere Heldin sich durch ein Treppenhaus in Ostberlin kämpfen muss, welches voller russischer Killer steckt. Ich habe selten eine coolere Actionszene bestaunen dürfen. PG13 am Arsch, hier wird eiskalt ermordet, aber mit Stil.
Apropos Stil, der Film wirkt wie ein „Best Of“ the 80´s. Sowohl die neonfarbenen Wohnräume und Nachtbars, als auch die Musikuntermalung, alles schnuppert die Luft der 80er. Genial, wie Actionszenen mit Liedern wie „Major Tom“ unterlegt wurden. Aber auch Queen, David Bowie, Nena, Falco, New Order, Depeche Mode und Public Enemy wurden gekonnt eingebaut, ohne dabei wie ein Musikvideo zu wirken.
Auch in Sachen Ausstattung kann sich der Film, der sowohl in Berlin und Babelsberg, aber auch in Budapest und London gedreht wurde, sehen lassen. Überall gelbe Telefonzellen in der „Coldest City“, ich fühlte mich gleich wieder in meine Jugend zurückversetzt. Einzig das Fehlen des Trabbis in Ostberlin kann man als Manko werten, doch das ist eine Kleinigkeit.
Ich durfte den Film bereits mehrfach sowohl in der englischen-, als auch in der deutschen Synchronfassung bewundern und dabei feststellen, dass der Film auch beim wiederholten Male keine Langeweile verbreitet. Die deutsche Synchro ist erstklassig. Auch die einzige Szene, in der Charlize im Original kurz deutsch spricht, wurde geschickt – und leicht verändert – vertont. Selbiges gilt für den kurzen Moment, in dem McAvoy sich im deutschen versucht.
Fazit:
Ansehen Leute, dies hier ist eines der Highlights des Jahres. Selbst Til Schweiger macht in seinen (wenigen) Auftritten eine gute Figur. Knallharter, stylischer Agententhriller in großartiger Kulisse. Da sind die deutschen Fördergelder weise investiert worden.
Deutscher Kinotrailer: