„Pink, it´s my new Obsession“ trällerte einst Steven Tyler. Nachdem Victor sich die grünen Hörspiele der Kultreihe unter den Nagel gerissen hat, habe ich nun die Ehre mich um die neonpinken Klassiker zu kümmern. Mein Bericht von der schicksalhaften Begegnung Frankensteins mit dem Grafen Dracula, beginnt in einem Gasthof…

Cover der 1981er / 1999er Auflage (MC, LP bzw. CD)

Cover der 1977er Originalveröffentlichung (MC / LP)

Regie: Heikedine Körting

Buch: H.G. Francis

Sprecher: Horst Frank, Brigitte Kollecker, Benno Sterzenbach, Hans Paetsch, Johanna Wegener, Ernst von Klippstein, Gottfried Kramer, Karl-Walter Diess

Klappentext:

Todessturz vom Balkon … Es fehlt der Kopf des Toten. Gibt es eine Macht, die Tote verschwinden läßt? Angst überdeckt das Land! Die Reporter Eireen Fox und Tom Fawley auf der Spur des unheimlichen Geschehens. Das Labor des Dr. Stein, gefährliche Experimente, entwendetes Blut. Eireen ahnt: Dracula war hier!

Artikel von Christian Jürs

DRACULA TRIFFT FRANKENSTEIN lautete der schlichte Titel der ersten Auflage dieses Hörspielklassikers, der im Rahmen der Neon-Gruselreihe mit dem Blutfürsten-Zusatz ergänzt wurde. Für mich war die Nummer Zwei der Gruselreihe das dritte Hörspiel in meiner Sammlung (die Horror-Ameisen und Mörder-Mumie hatten Vortritt). Damals war ich zarte sechs Jahre alt, also sechs Jahre zu jung laut damaliger Altersempfehlung. Heute werden die Hörspiele sogar erst ab 14 Jahren empfohlen, was in Zeiten, in denen sogar Christopher Lees erster Grafenauftritt von der FSK ab 12 freigegeben wurde, natürlich vollkommen hanebüchen ist.

Doch halten wir uns nicht mit Nebensächlichkeiten auf, kümmern wir uns um den Inhalt. Wie erwähnt, beginnt die Geschichte in einem Gasthof in Transsilvanien, in dem das Reporterpärchen Tom Fawley und Eireen Fox übernachten. Nach einer kurzen Debatte über den Blutdurst einheimischer Mücken stürzt plötzlich ein Mann vom Balkon über ihnen in den Tod. Unten macht sich sogleich eine Gestalt an der Leiche zu schaffen und entwendet ihren Kopf und eine Hand.

(Horst Frank)

Wow, was für ein Einstieg. Nicht nur, dass wir mit dem Ehepaar Horst Frank und Brigitte Kollecker hier ein sich die Bälle wunderbar zuspielendes,  kabbelndes und ebenso glaubhaftes Paar haben, nein, wir befinden uns auch gleich in einer spannenden, wenn auch im weiteren Verlauf immer hanebücheneren Szenerie.

Unten bei der Leiche vernehmen Hörspielkenner unverkennbar die Stimme Werner Cartanos in der Menge der Schulustigen. Sein Satz „Das darf doch nicht wahr sein!“, der ursprünglich aus OLD FIREHAND 2 stammte und des Öfteren in Szenen mit größeren Menschenmengen eingestreut wurde, durfte auch hier nicht fehlen. Man kann ihn unter anderem in der Europa Hörspielfassung von „20000 MEILEN UNTER DEM MEER oder aber bei der Hinrichtungsszene aus Edgar Wallace´s DER ROTE KREIS ebenfalls vernehmen.

(Brigitte Kollecker)

Der Kopflose, der sich später als Hemator, Bote Draculas outen wird, wurde von diesem gesandt, den Vampirgrafen zu erlösen. Daraus wird nun nix mehr, was den Grafen erbost werden lässt. Doch warum Hemator von einem verbarrikadierten Balkon in den Tod gestoßen wurde (samt Konservenschrei, auch zu hören beim GRÜNEN GEIST in der drei Fragezeichen Reihe) und wie der Mörder so fix von dort an die Leiche kam, um dieser die Gliedmaßen abzutrennen, klärt das Hörspiel, wie so viele andere Fragen, nicht.

Tom und Eireen jedenfalls lassen sich von ihrer Aufgabe, einen gewissen „Doktor Stein“, der sich natürlich als Frankenstein outen wird und wie im Monsterlabor von Märchenonkel Hans Paetsch vertont wird (wo er sich raffinierter weise noch als Doktor Frank tarnte), zu interviewen,  nicht abhalten. Dieser wohnt im Schloss des Grafen Dracula, der sich als Graf Cula tarnt, was man auch als Graf Cooler oder Graf Cola missverstehen könnte. ALLE UNTER EINEM DACH mal anders.

Dracula bekam hier übrigens, im Gegensatz zu allen extra für die Neonreihe produzierten Hörspiele, nicht Charles Regnier als Sprecher, sondern K.I.T.T.-Stimme und Hörspieldauerbösewicht Gottfried Kramer verpasst, der sich einen herrlich doofen Dialog mit Horst Frank liefert. Denn als dessen Tom Fawley, mit Kreuz bewaffnet, den Grafen auffordert nach draußen zu gehen, schreit dieser „Ich kann nicht rausgehen. Die Sonne!“, worauf Frank mit seiner gewohnt flapsigen Art ein „Das ist mir doch egal!“ entgegenschleudert.

(Hans Paetsch)

Eben hier liegt die wahre Stärke in diesem Hörspiel, welches nicht für fünf Pfennig Sinn ergibt. Warum leben Graf und Doktor unter einem Dach? Warum leben die überhaupt im späten 20. Jahrhundert? Und warum braucht Doktor Stein die Reporter um berühmt zu werden, wissen die doch von der Existenz Frankensteins, sind aber von seiner Arbeit trotzdem so überrascht? Und warum braucht Dracula einen Erlöser, wenn ein Sonnenbad den gleichen Effekt haben würde?

Alles völlig egal. Das Hörspiel bereitet einen Heidenspaß, was neben den erwähnten Sprechern auch an Johanna Wegener als Frankenteins Assistentin Doktor Finistra liegt. Diese hat eine besonders krächzende, hohe Stimme, was wie eine Mischung aus Papagei und Mainzelmännchen klingt. Wenn Eireen die Hand des Vampirs am künstlichen Menschen erkennt und erwähnt, krächzt Finistra ihr ein forsches „WAS IST DAMIT?“ entgegen, welches irgendwo zwischen komisch und genial anzusiedeln ist.

Unsere Helden sind hierbei eigentlich totale Versager. Vor allem Tom, der jede Situation erst durchschaut, wenn es quasi zu spät ist, würde in der Realität wohl keine lange Lebenserwartung haben. So vergisst er auch mal so ganz nebenbei das Kreuz, welches den einzigen Schutz gegen Dracula darstellt, mal ganz nebenbei im Auto. Anstalten umzukehren macht der nicht. Naja, diesen Mittelteil der leider nur auf drei Folgen kommenden Fawley-Trilogie überleben unsere Helden jedenfalls.

(Gottfried Kramer)

Richtig gelesen: Trilogie. Der Fawleys erstes Abenteuer, welches sie auf das Seeungeheuer Nessie treffen lassen sollte, war ursprünglich, wohl auch wegen des geringen Horroranteils, nicht Teil der Neonreihe, wurde aber in der Neuauflage als Nummer 15 eingefügt, da die Musikfolge aufgrund des anhaltenden Rechtstreits mit Komponist Carsten Bohn rausfallen musste. Ein letztes Mal (*schnief*) werden wir sie in Nummer 6 hören. DAS DUELL MIT DEM VAMPIR bringt das Ehepaar (!) Fawley ins Land von Horrorlegende Paul Naschy. Ob das gut geht?

Ja, das Hörspiel ist toll, aber nicht, weil es etwa spannend daher kommt. Nein, Hirn ausschalten und genießen. Hierbei empfehle ich die tolle Abmischung der alten Neonfassung, die man noch immer bei Ebay oder auf Flohmärkten auf Tape oder LP erstehen kann. Holt sie Euch, digitalisiert sie und schließt sie gut weg, denn die seit 1999 auf dem Markt befindlichen Folgen mussten hier und da Musiktausch vornehmen, was a) die Atmosphäre empfindlich stört und b) teilweise ein unerträgliches Gemisch aus neuer-und nicht komplett herausgefilterter Musik der alten Auflage ergibt. Hier und da saufen dadurch auch Dialogfetzen ab. Doch hörbar ist natürlich auch die Neuauflage.

Begebt euch also ins Schloss des Grafen Cula und Dr. Steins. Aber nicht das Kreuz im Auto vergessen.

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