Ethan Hawke ist Söldner für das Militärunternehmen Red Mountain und wird bei seinem letzten Auftrag erschossen. Mithilfe eines medizinischen Verfahrens wird er von den Toten für 24 Stunden reanimiert, um seinen Auftrag weiter auszuführen. Doch auch Tote wollen scheinbar Rache nehmen und so wird der Auftrag anders laufen, als geplant. Raffiniert klingt anders, hier geht’s um Action. Aber ausgefeilt war JOHN WICK auch nicht und trotzdem ging die Rechnung auf. Kann es also Ethan Hawke es mit Keanu Reeves aufnehmen?
Regie: Brian Smrz
Darsteller: Ethan Hawke, Paul Anderson, Rutger Hauer, Xu Qing
Artikel von Kai Kinnert
Das Cover wirbt mit „Vom Produzenten von JOHN WICK“ und assoziiert Ethan Hawke als eine Art Jack Bauer. „Rache braucht keine 24 Stunden“ steht da außerdem. Das stimmt, manchmal sind es auch nur Sekunden oder gar Jahrzehnte, bis Rache gelingt. Oder nicht gelingt. Aber wie dem auch sei, hier geht’s nicht um eine subtile Story, sondern darum, sich aufwendig durch seine Widersacher zu krachen. JOHN WICK legt die Messlatte ganz schön hoch, zumal sich dort der Aberwitz aus einer Comicvorlage speist und sich elegant mit der Action des Hong-Kong-Kinos ziert. Dynamik und ikonografisch reduzierte Rache-Helden ersetzen bei solcher Art Film ein tiefschürfendes Drehbuch und raffinierte Zwischentöne. Bei 24 HOURS TO LIVE also Kunst zu erwarten, wäre Perlen vor die Säue geworfen, denn hier gibt Ethan Hawke mit Knarre in der Hand den Ton an. Und tot ist er auch noch.
Gleich in Minute Drei geht es los. Interpol Agentin Lin Bisset (Xu Qing) wird mit ihrem Gefangenen, einem Söldner des Militärunternehmens Red Mountain, im Grenzgebiet Namibias schwerst überfallen. Der kurze, heftige Shoot-Out ist solide aufwendig gefilmt und lässt sich nicht lumpen. Das überrascht angenehm, denn hier verstand jemand sein Handwerk. Wer war gleich nochmal der Regisseur? Brian Smrz? Der war sonst Second Unit Director und Stunt Coordinator bei MINORITY REPORT, MI:2 und KNIGHT AND DAY. Das merkt man und ist als Freund des Actionfilms gespannt, was Mr. Smrz aus dem Unsinn des Drehbuchs macht. Die nächste Szene führt Ethan Hawke als ehemaliger Elitesoldat Travis Conrad beim Angeln mit seinem Stiefvater Frank (Rutger Hauer) ein. Ein paar Dialoge holzigem Kalibers werden serviert, Zwischentöne sind – auch das wird gleich klar – hier nicht die Stärke des Films. Doch gleich darauf beweist Conrad in einer Bar seine Qualifikation als raffiniert lässiger Elitesoldat und wird von seinem alten Freund Jim Morrow (Paul Anderson) zu einem allerletzten Auftrag angeheuert. Er soll den Gefangenen aus den Händen von Lin Bisset befreien, die ihn, nach dem misslungenen Anschlag in Namibia, irgendwo in Hong Kong versteckt hält. Der Gefangene soll gegen Red Mountain vor der UN aussagen und Conrad soll das verhindern.
Conrad heftet sich an Lin Bisset, trifft sie auf dem Flughafen von Kapstadt. Beide warten da auf ihre Anschlussflüge und so landen sie im Bett eines Hotelzimmers. Conrad will natürlich nur an ihr Handy und müsste sie eigentlich erschießen, doch er klaut nur mit einer abstrusen Handy-App ihre Daten und lässt Lin am Leben. Ein Fehler, wie sich herausstellt, denn daraufhin knallt sie ihn ab.
In einem geheimen Container-Labor von Red Mountain, irgendwo im Hafen Hong Kongs, wacht Conrad wieder auf und hat einen digitalen Counter in seinen Unterarm einoperiert bekommen. Die Zeit zeigt ihm an, wie lange die Reanimation noch wirkt. Danach ist er wieder tot, also doppelt tot.
Aber erst einmal liegt Conrad im Krankenbett und bekommt von seinem Freund Jim Morrow alles erklärt. Conrad erfährt, das Red Mountain „ein paar krasse Experimente“ gemacht hat, um an ihm jetzt das Auferstehungs-Medikament zu testen. Nach einem recht würzigem Anfang fällt der Film nun in seinen erzählerischen Teil, den Brian Smrz nicht so im Griff hat wie die Action. Der Unsinn der Handlung soll ein bisschen durch das Drama untermauert werden, das Conrad seinen Sohn und seine Frau verloren hat und sie immer wieder mal als Vision bzw. Erinnerung vor sich sieht. Doch der Film bleibt inhaltlich eine Farce, so wie es JOHN WICK ja auch ist, aber dort funktioniert der Blödsinn durch die comichafte Zuspitzung, dass John Wick um seinen Hund trauert und dass es ihm ums Prinzip geht. Conrad hat keine Prinzipien und so packt es einen in den actionarmen Szenen nicht, obwohl Ethan Hawke seine Sache ganz tapfer macht.
Conrad schnallt, dass seinem Freund nicht zu trauen ist und muss sich dann als frisch gebackener Untoter schnell mit Gewalt aus dem Container-Labor in Hong Kong befreien, was etlichen Handlangern Red Mountains das Leben kosten wird. Schon fühlt sich die Regie wieder sicher und das Actionset gestaltet sich knackig und solide gemacht, für eine FSK 16 ist der Film dabei sogar recht blutig. Conrad ist eben Spezialist, doch leider wird er ab jetzt in Actionmomenten auch gerne mal kurz ohnmächtig oder sieht seinen toten Sohn. Nebenwirkungen des Medikamentes, das man ihm verabreicht hat. Der Film verschwendet auch keine Zeit im Versuch sinnvolle Erklärungen für das medizinische Wunder zu finden, wozu auch. Es reicht zu wissen, dass Conrad das Ergebnis des Experimentes ist und dass viele vor ihm dafür sterben mussten. Der Gefangene in Lin Bissets Obhut will über diese Experimente vor der UNO aussagen und Conrad schnallt, das Bisset für die Guten arbeitet und so wird er alsbald mit ihr zusammen gegen Red Mountain antreten. So beginnt ziemlich genau ab Mitte des Films Conrad mit der Action, um rechtzeitig vor dem erneuten Tod seine Rache an Red Mountain durchzusetzen. Und das macht der Film mit seinen Actionsets ganz gut, die trotz des Hollywood-Stils genügend Übersicht und Ruppigkeit besitzen. Ethan Hawke steht die Action, seine hagere Gestalt passt. Schon in IN A VALLEY OF VIOLENCE wirkte Hawke gut angekommen im Segment der kleineren Produktionen, die irgendwo zwischen A und B-Movie liegen.
Eine gut umgesetzte Verfolgungsjagd mit Autos und Knarren darf natürlich auch nicht fehlen, ebenso etliche Kopfschüsse und improvisierte Angriffe mit dem Skalpell, das Conrad ja frisch nach der OP in Reichweite hatte. Hier hält der Film das, was sein Cover verspricht und der anspruchsfreie Actionfreund kommt auf seine Kosten. Der Film erreicht dabei nicht die Qualität eines JOHN WICK, die Actionchoreographen sind bei Keanu Reeves einfach eine Ecke dreister und blutiger. Dennoch überrascht 24 HOURS TO LIVE damit, dass er am Ende nicht so billig war, wie es hätte werden können. Wenn sich auch noch ein Drehbuchautor zum Team gesellt hätte, wäre es sogar noch besser geworden.
So ist 24 HOURS TO LIVE zwar krachender Unsinn mit ausblendbarer Handlung und einem Minimalauftritt von Rutger Hauer, aber Ethan Hawke macht eine gute, entschlossene Figur in der goutierbar inszenierten Action. Der Film will und kann gar nicht mehr sein, als ein loses Fragment für die Actionsets und drei Dosen Bier. In diesem Sinne: Prost.