Kurz nach Eröffnung unserer Webseite erfüllten wir uns einen Traum und besprachen alle 18 Folgen der kultigen Hörspiel Neon-Gruselserie aus dem Hause EUROPA. Mitbegründer Victor Grytzka übernahm dabei die „grünen Episoden“, während ich mir die „pinken Folgen“ zur Brust nahm. So kam es, dass meine Einstiegsfolge, die ich kurz vor meiner Einschulung damals in Händen hielt, an meinen Kollegen ging. Schade eigentlich, aber er hat mich würdig vertreten mit seiner Meinung, die sich mit mir deckt. Mit eben dieser Folge 5 adaptierte Serienschreiber H.G. Francis ein beliebtes Thema des 50er Jahre Drive-in Kinos. Mutierte Ameisen jagen ein zankendes Geschwisterpaar durch die amerikanische Einöde. Ein B-Movie für die Ohren, aus der wohl bekanntesten Grusel Hörspielreihe.

Cover der 1981er / 1999er Auflage (MC, LP bzw. CD)

Cover der 1987er Auflage (Techno-Edition, MC)

Regie: Heikedine Körting

Buch: H.G. Francis

Sprecher: Günther Flesch, Ursula Sieg, Günther Ungeheuer, Wolfgang Völz, Joachim Wolff, Cordula Hubrich

Klappentext:

Seltsame Geräusche in der Nacht, zwei Tote vor einem zertrümmerten Haus. Mord oder Unfall…, eine unheimliche Macht…, Spätfolgen einer Atombombenexplosion… – was ist die Ursache für ihren Tod? Harry Marlow und seine Schwester Joanne werden Zeugen eines grausigen Geschehens in der Wüste von Nevada.

Artikel von Victor Grytzka / Vorwort von Christian Jürs

„Sei still, bitte, sei still!“ Ja, genau dieser Effekt stellt sich ein wenn man Joanne Marlow, hervorragend gesprochen von Ursula Sieg, in den ersten 5 Minuten dieses Hörspiels zuhört. Da tuckert ihr Bruder Harry (Günther Flesch) – seine Schwester im Schlepptau – durch die Wüste Nevadas, und dann sowas. Erst geht das Auto kaputt, dann finden die beiden zwei übel zugerichtete Leichen, und seltsame Geräusche bahnen sich den Weg durch den Wüstenwind. Der Übeltäter ist schnell gefunden. Riesige Ameisen, die alles platt walzen was sich ihnen in den Weg stellt. So wirklich glauben möchte das niemand, bis auf Dr. Barn (Cordula Hubrich), aka „Sagen sie nicht immer Doktor zu mir, mein Name ist Doris…“. Der Sheriff (Wolfgang Völz) will erst noch überzeugt werden, und das geschieht schneller als ihm lieb ist.  Joachim Wolff ist in einer kleinen Nebenrolle zu hören, aber seine Stimme bleibt natürlich im Ohr, weil man diese im Hause Europa sehr oft gehört hat.

Günther Flesch

Vielleicht erkennt man es schon – es wird trashig. Aber nicht „mies-trashig“, sondern „schön-trashig“. Dieses wohlige Gefühl das sich einstellt wenn man an die alten Monster-Movies denkt. Das Grundgerüst stimmt einfach. Im Saloon spielt ein olles Klavier, der Sheriff sitzt an der Theke und hebt einen. Francis hat jedes nötige Klischee bedient um den Charme leichter Unterhaltung zu erzeugen. Das komödiantische Element, eingestreut durch die beiden Hauptfiguren funktioniert wunderbar. Wie ein altes Ehepaar streiten sie sich durch die Geschichte. Eine Steilvorlage für den Running Gag der Story, bei dem Harry und Joanne immer wieder für Mann und Frau gehalten werden, worauf Harry immer wieder ausdrücklich betont, dass Joanne NICHT seine Frau ist. Zudem bringt sie ihn – durch ihr schnelles und lautes Mundwerk und einen Hang zur Empörung – immer wieder in unangenehme Situationen, auf die er mit einer Mischung aus peinlicher Berührung und Resignation reagiert. Wie die beiden sich die Bälle zuspielen ist absolut klasse und immer für einen Lacher gut!

Ursula Sieg

Und dann haben wir da den Sheriff. Und der gibt so gar nichts auf die Meinung von Joanne. Diesen Umstand versteckt er nicht gerade und bremst sie schon mal mit einem deutlichen „Shut up!“. Und dabei klingt er so herrlich böse und vorlaut. Das passt irgendwie nicht in mein Bild von Herrn Völz, dennoch hätte man diese Rolle nicht besser besetzen können. Und dann wäre da noch Dr. Barn, die Dritte im Bunde der Hauptpersonen. Sie steigt hinter das Rätsel und weiß sofort, dass nur Atomtests für die Riesenameisen verantwortlich sein können. Leider kommt mir Cordula Hubrich etwas zu künstlich rüber, sie schwankt dabei zwischen lustlos und totalem Overacting.

Wolfgang Völz

Was ist aber mit der Produktion insgesamt? Nun, die ist absolut bombastisch, auch wenn der „Gruselfaktor“ mit zunehmender Laufzeit abnimmt und mehr ins Science-Fiction Genre abrutscht. Der Fund von zwei Leichen am Anfang des Hörspiels hat einen schönen schaurigen Unterton, dann zieht sich zeitgleich der Himmel zu, es beginnt zu regnen und seltsame Geräusche sind zu vernehmen. Spannung ist da garantiert. Und dann kommt leider ein negativer Punkt der Geschichte. Irgendwie geht es „holterdipolter“ und ziemlich fix. Dr. Barn checkt sofort wie der Hase läuft, kurz darauf tauchen die Riesenameisen auf und bewegen sich Richtung Dustville. Frau Doktor lässt noch kurz ein paar Details über Ameisen aus dem Gesicht fallen, schlussfolgert dass ständige Atomtests an allem Schuld sind, und dann gilt es die Zweifler zu überzeugen. Dabei ist es natürlich nicht hilfreich dass von dem mutierten Tierchen keine Spur zu sehen ist. Wenigstens hat man mittlerweile Joanne ruhig gestellt, die (im Off) in einen Schockzustand versetzt wurde, und so über einen längeren Zeitraum nicht zu hören ist. Also,  Waffen eingepackt und ran an den Speck. Harry und Doris entschließen nun als „Double Team“ der Plage ein Ende zu setzen. Als dann „die Kacke so richtig dampft“, die Stadt zerstört ist und Menschen sterben mussten, haben dann auch die Zweifler ein Einsehen. Und dank einer gewieften Taktik unserer Helden kann man dann doch noch das Schlimmste verhindern.

Cordula Hubrich

Ich mag bis jetzt nicht so geklungen haben, als sei ich sonderlich begeistert von der Ameiseninvasion, jedoch – weit gefehlt. Denn das Gesamtpaket besticht einfach durch diese gewollt „billige“ Atmosphäre, die das Ganze wieder hörenswert macht. Qualitativ bombastische Effektuntermalung mit allem was dazu gehört (die unheimlichen Ameisengeräusche sind ein wahres Highlight). Die Musik ist Europa typisch über jeden Zweifel erhaben. Eine überraschend ungewöhnliche Sprecherwahl, betrachtet man die übrigen Hörspiele der Reihe, sorgt für „frischen Wind“. Und eines der Kernelemente – der Humor – wird in dieser Form in der gesamten Reihe so nicht wiederholt. Ein wunderbares Alleinstellungsmerkmal! Eine kritische Botschaft, an den damaligen Zeitgeist angelegt, hat man auch untergebracht. Leider sollte sich diese Gefahr ein paar Jahre später in der Ukraine bewahrheiten. Und auch in unserer heutigen Zeit ist es immer noch ein heikles Thema – die beschissene Gefahr der radioaktiven Strahlung.

Joachim Wolff

Aufmerksame Hörer werden ein Schmankerl aus der Europa-Konserve bemerken, welches schon in Frankensteins Sohn im Monster-Labor und Dracula und Frankenstein – Die Blutfürsten Verwendung fand. Und er sich jetzt sagt: „Das darf doch nicht wahr sein!“, der wird eines besseren belehrt.  Insgesamt ein Highlight, eben weil diese Folge sich von den anderen Folgen der Reihe abhebt. Es sollte nicht die letzte Mutation innerhalb der Kultreihe sein…

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