Trauer, Verlustängste und die damit korrespondierenden Verwirrungen. Fast jeder kennt diese Gefühle oder hat sie schon mal erlebt. Besonders bei Kindern kann dies zu Störungen der eigenen Persönlichkeit führen. KOCH-MEDIA bringt uns nun mit „I Kill Giants“ (2017) einen Film ins Heimkino, der sich auf interessante Weise mit dieser Thematik auseinandersetzt. Wir haben den Film vorab sehen dürfen und verraten euch, ob dieses Unterfangen geglückt ist!
Drehbuch: Joe Kelly
Regie: Anders Walter
Darsteller: Madison Wolfe, Imogen Poots, Zoe Saldana, Sydney Wade…
Artikel von Christopher Feldmann
„I Kill Giants“ (2017) ist kein originärer Stoff, sondern basiert auf dem gleichnamigen Comic von Joe Kelly, der dankenswerter Weise das Drehbuch zum Film lieferte und somit sein eigenes Werk für eine filmische Version adaptieren konnte. Das tut dem Film sichtlich gut, denn „I Kill Giants“ ist ein berührendes Charakter-Drama mit Elementen des Coming-of-Age und Fantasy-Genres, welches den Geist der Vorlage atmet, ohne jedoch so richtig in die Vollen zu gehen.
Die trotzige Fünftklässlerin Barbara Thorson (Madison Wolfe) hat es nicht leicht. Während sie täglich dem Mobbing ihrer Mitschüler ausgesetzt ist, muss sie sich auch mit ihren inneren Dämonen auseinandersetzen. Als Außenseiterin spielt sie meist Dungeons & Dragons und flüchtet sich in ihre Fantasie, in der sie gegen Riesen kämpft. Zunehmend verschwimmen jedoch die Grenzen zwischen Barbaras reellem Schul- und Familienleben, sowie ihrer Fantasie. Einzig die zugezogene Sophia (Sydney Wade) zeigt Interesse an, der als „Nerd-Queen“ titulierten, Barbara. Auch die Schulpsychologin Mrs. Mollé (Zoe Saldana) macht sich Sorgen um das Mädchen und versucht einen Kontakt zu ihr zu finden, bevor sie ganz in ihrer eigenen magischen Welt gefangen ist.
Man muss den Produzenten schon zugutehalten, dass man aus der Vorlage kein 08/15 Fantasy-Abenteuer für die Massen geschustert hat, sondern den ernsten Tonfall, sowie den Fokus auf die Charaktere beibehalten hat. Und das, obwohl Chris Columbus hinter dem Film steckt, der eher für leichte Kost bekannt sein dürfte. „I Kill Giants“ ist durch und durch ein Charakter-Drama, welches sich ausgiebig mit der Psyche der Hauptfigur beschäftigt und in deren Ängste eintaucht. Wir bekommen ausführlich das Schul- und Familienleben skizziert, was uns nah an die Figur und ihr Umfeld heranführt. Barbaras Familie wird von ihrer älteren Schwester zusammengehalten, die die Verantwortung für sie und ihren Bruder übernommen hat und unter enormen persönlichen Opfern versucht es Allen Recht zu machen. In mehreren Szenen bekommen wir die Schwierigkeiten vor Augen geführt, denn auch Zuhause hat Barbara Probleme, welche anscheinend nicht genug Gehör finden. Gleichzeitig wird uns der Alltag in der Schule geschildert, in dem das Mädchen oft Mobbing und Schikanen ausgesetzt ist. Hier verwendet der Film zudem die klassischen Elemente des Coming-Of-Age Films. Wir wohnen einer Entwicklung bei, die hier mehr und mehr ein negatives Gefälle annimmt. Man setzt sich mit Barbaras Gedankenwelt auseinander und mischt die filmische Realität mit Fantasy-Szenen, in denen Riesen und weitere Kreaturen ihr Unwesen treiben. Genau wie für Barbara, verschwimmt auch für den Zuschauer immer mehr die Grenze zwischen Realität und Fantasie, da sie sich immer mehr in ihre eigene magische Welt flüchtet. Das sorgt für einen guten Spannungsbogen und ein ausgeprägtes Interesse für die Figur.
Joe Kelly hat es wirklich gemeistert, seine Graphic Novel in ein gutes Drehbuch zu transformieren. Genau wie in der Vorlage ist der Film erstaunlich charakterfokussiert und verliert sich nicht in großen Effekt-Szenen, was sicher der einfachste Weg gewesen wäre. Die Dialoge sind realitätsnah und wirken nie gekünstelt. Ich habe mir im Vorfeld Material aus der Vorlage angesehen und man kann Kelly einen guten Job attestieren, in dem er die Essenz der Geschichte verwirklicht hat. Ebenfalls positiv sind die Darsteller. Madison Wolfe ist sicherlich eine Entdeckung, hat sie sich doch gegen 500 weitere Jungdarsteller im Casting durchgesetzt. Sie verkörpert mit Bravour ein verängstigtes, der Realität entfremdetes Mädchen auf einer dunklen Reise. Selbst wenn Wolfe keinen Dialog hat, sprechen Mimik und Gestik ganze Bände. In allen Belangen eine Idealbesetzung. Positiv hervorzuheben sind auch Imogen Poots als Barbaras Schwester Karen, sowie Zoe Saldana als Schulpsychologin, die auch abseits ihrer Amazonen-Rolle in „Guardians of the Galaxy“ durchaus in der Lage ist, ruhige und tiefschürfende Rollen zu spielen. Etwas negativ fällt Sydney Wade auf, die mit ihrem reduzierten Spiel nicht so richtig funktionieren mag aber als Figur durchaus Sinn macht.
Der größte Schwachpunkt ist sicher die Regie. Der Däne Anders Walter hält sich sehr zurück und vermeidet Experimente. So wirken die Fantasy-Szenen recht bieder und unspektakulär und auch sonst vermag Walter keine erinnerungswürdigen Bilder zu finden. Die Vorlage ist sehr rough gezeichnet, was sicher auch einzelnen Szenen gut gestanden hätte.
Fazit:
„I Kill Giants“ ist ein bewegendes, charakterfokussiertes Drama mit Fantasy-Elementen, welches vor Allem durch seine guten Darsteller punkten kann. Auch wenn die Inszenierung an manchen Stellen etwas fad geraten ist, ist die Comic-Adaption durchaus sehenswert.