Pascal Laugier gewann im Jahre 2008 mit „Martyrs“ die Herzen der Schocker-Fans für sich. Bald erscheint mit „Ghostland“ sein neuester Streich bei uns, und er wird sich nicht weniger in die Köpfe der Zuschauer brennen, wie es einst „Martyrs“ tat. Dieser Film ist nichts für schwache Nerven, der französische Regisseur zieht mal wieder kompromisslos sämtliche Register!
Originaltitel: Incident in a Ghostland
Regie: Pascal Laugier
Darsteller: Crystal Reed, Mylene Farmer, Anastasia Phillips, Emilia Jones, Taylor Hickson, Kevin Power, Rob Archer
Artikel von Victor Grytzka
Manche Filme muss man erst einmal sacken lassen. So ging es mir nach der Sichtung von „Ghostland“. Direkt nach dem Abspann wusste ich einfach nicht was ich denn nun groß schreiben sollte. Ich musste diesen bizarren Film erst einmal verdauen. Selten habe ich solch ein kompromissloses, bösartiges und verstörendes Werk gesehen. Dabei fängt alles eigentlich ganz ruhig an…
Die Schwestern Beth (Emilia Jones / Crystal Reed) und Vera (Taylor Hickson / Anastasia Phillips) beziehen gemeinsam mit ihrer Mutter Pauline (Mylene Farmer) ein geerbtes Haus. Heruntergekommen und vollgestopft mit Puppen und gruseligen Figuren präsentiert sich das alte Landhaus, das einst Paulines Großtante gehörte. Der wahre Horror soll jedoch schon bald folgen. Zwei Psychopathen dringen in das Domizil der Familie ein. Mit letzter Kraft kann Pauline die Angreifer töten und somit ihre Töchter vor den Fängen des gewalttätigen Duos retten. 16 Jahre vergehen, und Beth ist nun eine erfolgreiche Horrorautorin. Sie führt ein beschauliches Leben mit ihrem Mann und ihrem Sohn, bis sie eines Abends ein telefonischer Hilferuf ihrer Schwester ereilt, die immer noch mit ihrer Mutter in dem Haus wohnt, seit dem damaligen Zwischenfall an Paranoia leidet und ein selbst verletzendes Verhalten an den Tag legt. Umgehend macht sich Beth auf den Weg und muss feststellen, dass eigentlich alles in Ordnung zu sein scheint. Dies soll sich jedoch als folgenschwerer Irrtum herausstellen…
Wow, das war wirklich schwer verdaulicher Stoff. Erinnert ihr euch noch an den guten alten „Terrorfilm“? Ein Genre, das damals durch Klassiker wie „The Texas Chain Saw Massacre“ und „The Hills Have Eyes“ eine große Popularität erlangte? Erinnert euch an diese Filme, multipliziert sie mit 10 und ihr habt ungefähr eine Vorstellung davon welche Marschrichtung Laugier mit „Ghostland“ eingeschlagen hat. Dabei geht er deutlich weniger blutig als bei „Martyrs“ zu Werke, erreicht aber locker dasselbe Maß an Nervenkitzel. Nein, er übertrumpft es noch sogar. Alleine die Anfangssequenz, die den Zuschauer auf die eigentliche Handlung vorbereitet, sorgt für ein hohes Maß an Thrill und Anspannung. Direkt wird klar gemacht – dieser Film wird böse! Abgrundtief BÖSE!
Dabei ist es gelungen eine wirklich fantastische Geschichte zu erzählen die für keine Zuschauer leicht zu verdauen sein wird. Ich möchte diese Rezension allerdings Spoiler frei halten, denn „Ghostland“ muss auf den Zuschauer wirken können, und dies kann man einfach nicht vorweg nehmen. Was ich verraten darf ist dass „Ghostland“ großartig konstruiert ist. Lange tappt man als Zuschauer ein wenig im Dunkeln, denkt dann man hätte verstanden „wie der Hase läuft“, um dann von Laugier einen Schlag mitten ins Gesicht zu bekommen. Und dann wir einem alles klar… Die Hinweise auf die tatsächlichen Geschehnisse um die Familie waren die ganze Zeit da, doch nimmt man diese erst als solche wahr nachdem die Sache aufgelöst wurde. Dies geschieht ungefähr nach der Hälfte der rund 90-minütigen Laufzeit. Und dann wird es richtig gemein und fies.
Dieser Moment wenn du begreifst, was du die ganze Zeit nicht begriffen hast. Wie ein Schlag in die Magengrube. Laugier spielt dabei gekonnt mit dem Gewissen und den Ängsten des Zuschauers. Und es funktioniert! Ich habe wirklich jede Emotion durchlebt. Wut, Hass, Trauer, Angst, Fassungslosigkeit… Egal welches negative Gefühl man aufzählt, man wird sie alle durchleben. „Ghostland“ ist ein Film der den Zuschauer nicht einfach nur als stillen Beobachter abstraft, sondern ihn zu einem Teil der Erlebnisse werden lässt. Und selbst die abgebrühtesten Kerle werden eine emotionale Achterbahnfahrt erleben – versprochen.
Besonders hart wird es für Leute die selbst Kinder – oder speziell Töchter – haben. Ich bin ein solcher Vater, und habe mich die ganze Zeit gefragt… was wäre wenn…? Ein Gedanke, den man sich in seinem schlimmsten Alpträumen nicht vorstellen mag, der aber unweigerlich im Kopf herumspukt während man schockiert versucht das Gesehene zu verarbeiten. Und doch bleibt in diesem lebensfeindlichen Szenario ein kleines Plätzchen für Hoffnung, wie ein Licht am Ende des Tunnels.
Ich für meinen Teil kann sagen dass ich „Ghostland“ für Laugiers besten Film halte, weshalb mich die eher durchschnittliche imdb-Wertung etwas ratlos zurück gelassen hat. Wer einen Brutalo-Schocker wie „Martyrs“ erwartet, der wird hier zwar nicht bedient, dennoch ist „Ghostland“ nicht weniger hart, roh und brutal! Denn der Film geht dahin wo es wirklich weh tut – mitten in die Psyche und ins Bewusstsein des Zuschauers. Bravo!
Die BluRay aus dem Hause Capelight präsentiert sich in sehr guter Bild- und Tonqualität (DTS-HD 5.1,) und bringt neben dem Hauptfilm noch ein Making-of, diverse Interviews und Trailer mit. Die Sichtung der Extras ist unbedingt nach dem Hauptfilm zu empfehlen, da man wirklich gar nichts vorweg nehmen sollte.
Kurz und Knapp – grandios kompromisslos! Wo „TCM“ und „Hills Have Eyes“ aufhörten beginnt „Ghostland“ erst, und geht sehr weit über die Grenzen des Erträglichen hinaus. Ein verstörendes Meisterwerk, das es bereits nach der ersten Sichtung in die Top 10 meiner liebsten Filme aller Zeiten geschafft hat!
Trailer (auch wenn ich ihn NICHT vorher schauen würde, aus oben genannten Gründen).