Mitte der sechziger Jahre, just als ein gewisser Geheimagent mit der Lizenz zum Töten sich dem Superverbrecher Blofeld und seinem Schergen Largo in den Weg stellte, betrat ein weiterer Geheimagent das Rampenlicht, um die Welt vor der totalen Ausrottung durch einen irren Schurken zu bewahren. Ein mittlerweile vergessener Auftritt, den uns ANOLIS jetzt ins Gedächtnis zurückholt.
Originaltitel: The Satan Bug
Regie: John Sturges
Darsteller: George Maharis, Richard Basehart, Anne Francis, Dana Andrews, John Larkin
Artikel von Christian Jürs
Die Abenteuer des Agenten aus der Feder Ian Flemings sind legendär und entwickelten sich, neben der Romanreihe, zur langlebigsten Filmserie aller Zeiten. Seit 1962 ermittelt der Frauenheld mit der Lizenz zum Töten im Geheimdienst ihrer Majestät. Bevor die Besserwisser jetzt „hier“ schreien, ja, es gab bereits 1954 eine in Vergessenheit geratene Fernsehproduktion, in der Barry Nelson den Geheimagenten mimte. Dort hieß er allerdings Jimmy und nicht James und arbeitete zudem für den CIA.
Doch hier soll es ja nicht um Ian Flemings Helden gehen, sondern um den Agenten aus der Feder von Ian Stuart. Dieser ähnlich klingende Name entpuppte sich damals als Pseudonym für den Erfolgsautoren Alistair MacLean (schrieb DIE KANONEN VON NAVARONE), der wie einst Stephen King mit seinem alter Ego Richard Bachman einfach einmal testen wollte, ob seine Bücher unter anderem Namen ebenfalls erfolgreich sein würden.
Es wurde kein geringerer als Erfolgsregisseur John Sturges, der sich mit den Klassikern DIE GLORREICHEN SIEBEN und GESPRENGTE KETTEN bereits unsterblich gemacht hatte, mit dem Projekt betreut. Als Kameramann kam zudem Robert Surtees (BEN HUR) mit an Bord, dem ein paar tolle Breitwandbilder gelangen. Die Musik stammt von Jerry Goldsmith, der den Score zu unzähligen Meisterwerken beisteuerte und hier einen stimmigen, teils surrealen Soundtrack hinlegte. Beste Vorraussetzungen also um einen potentiellen Hit zu landen. Es kam jedoch anders, was sicher unter anderem an der Besetzung der Hauptrolle lag. Diese wurde einst gerüchtehalber dem Hollywood-Star Charlton Heston angeboten. Doch hierzu kam es leider nicht und man übergab die ehrenvolle Aufgabe die Welt zu retten an den Serienstar George Maharis, der mit ROUTE 66 einigermaßen erfolgreich im heimischen TV war. Keine gute Entscheidung, wie sich herausstellen sollte, denn charismatisch geht anders, Mr. Maharis.
Aber warum muß Agent Barrett überhaupt eingreifen? Haben Bösewichte etwa wieder eine Atombombe in ihren Besitz gebracht wie damals üblich? Nur um Doktor Evil like eine Millionen Dollar zu erpressen? Nein, bei THE SATANS BUG, wie der Film im Original heißt, handelt es sich nicht um eine Bombe, sondern um einen todbringenden Virus, welcher seine Opfer innerhalb von Sekunden töten kann. Dieser Virus wurde in einem gut bewachten Labor entwickelt, wobei „gut bewacht“ relativ ist, wird dieses doch bereits in der Eröffnungssequenz überfallen und die todbringende Waffe entwendet. Somit haben die bösen Wichte ein ganz grässliches Druckmittel, denn einmal freigelassen lässt sich der Kampfstoff nicht mehr aufhalten und würde sich binnen weniger Monate komplett über den Erdball verteilen und alles Leben auslöschen. Hier finden wir einen weiteren Grund für das Scheitern an der Kinokasse. Denn damals hatten die Menschen angst vor der Bedrohung durch Atombomben. Tödliche Viren, die von Terroristen als Druckmittel bzw. Waffe genutzt werden kamen erst in den Neunzigern auf (zB. in THE ROCK oder EINSAME ENTSCHEIDUNG). Von daher war dieser Streifen seiner Zeit vorraus. Doch es stellen sich natürlich zwei Fragen: a) Warum entwickelt man so ein Mittel? Auch als Weltmacht wäre die Nutzung ein Eigentor – und b) Was haben die Bösen von der Freisetzung des Todbringers außer einer geringen Lebenserwartung?
Doch solche Fragen stellt man sich bei James Bond ja auch nicht, sonst hätte sich bestimmt mal jemand gefragt wie die Dame in Connerys Bett vor Ort komplett mit Gold überzogen werden konnte. Hatte Goldfingers Handlanger etwa Farbeimer und Pinsel dabei? Wieso ging kein Tropfen Gold deneben? Und wieso eigentlich so Verschwenderisch mit dem teuersten Farbton ever, wenn man diesen doch so sehr liebt? Aber ich schweife ab, was wohl auch der deutschen Synchronisation geschuldet ist. Diese suchte nämlich ganz bewusst die Nähe zum populären britischen Geheimagenten indem man Maharis mit Connerys Stammsprecher Gert Günther Hoffmann ausstattete.
Doch genau dieser Vergleich schadet dem Agententhriller ebenfalls, denn Agent Barrett ist kein Gimmickwaffen tragender Frauenheld. Im Gegenteil, die Action ist hier deutlich reduziert und Ann Williams (Anne Francis), die Frau an seiner Seite, mutiert auch nicht zum willigen Betthäschen. Am ehesten werden Fans von LIEBESGRÜßE AUS MOSKAU, der ja am ehesten ernstzunehmender Thriller war, hier ihren Spaß haben. MOBY DICK Fans dürfen sich zudem auf ein Wiedersehen mit Ishmael Darsteller Richard Basehart freuen. Da BIG TROUBLE IN LITTLE CHINA seit jeher mein Lieblings-Carpenter ist, war bei mir die Freude groß, als ich Lo Pan Darsteller James Hong in jungen Jahren erblicken durfte.
Das Mediabook von Anolis ist einmal mehr jeden Cent wert. Qualitativ kann der Film in Bild und Ton überzeugen. Im Bonusbereich gibt’s einen Audiokommentar von Dr. Marcus Stiglegger, den Kinotrailer in deutscher und amerikanischer Fassung, Bildergalerien, Radio Spots, etc. Als besondere Dreingabe ist noch die alte deutsche „Grindhouse“-Fassung enthalten, die ein herrliches Retrofeeling erzeugt. Das reich bebilderte Booklet mit einem Text von Mike Sigel ist das i-Tüpfelchen.
Wer also klassische Agentenfilme mag, die mehr Wert auf die Suspense ihrer Geschichte legt, denn auf Action und Gags, der liegt hier goldrichtig. Auch wenn ich Charlton Heston natürlich lieber in der Titelrolle gesehen hätte.
Trailer: