Jean-Claude van Damme war mal ein Star. Das ist schon eine ganze Weile her, denn wie so viele andere Action-Helden der 80er und 90er, dümpelt der belgische Haudrauf-Held schon seit mehr als 15 Jahren im Sumpf günstig produzierter B-Movies herum, die in der Regel direkt für den Heimkino-Markt produziert werden. Hin und wieder zeigt Jean-Claude jedoch Ambitionen für mehr, nämlich für gutes Schauspiel, anstatt Roundhouse-Kicks. Mit THE BOUNCER erscheint nun eine französisch-belgische Independent-Produktion, in der sich die Genre-Ikone von einer eher düsteren, melancholischen Seite zeigt. Ob das Drama endlich das ersehnte Comeback bedeutet, erfahrt ihr in unserer ausführlichen Kritik!

Originaltitel: Lukas

Drehbuch: Jérémie Guez
Regie: Julien Leclercq

Darsteller: Jean-Claude van Damme, Sveva Alviti, Sam Louwyck, Alice Verset…

Artikel von Christopher Feldmann

Jean-Claude Francois van Varenberg, so van Dammes bürgerlicher Name, stand nie für anspruchsvolle Filmkunst, sondern war in seiner Hochphase ein Garant für unterhaltsames Genre-Kino, zudem einer meiner liebsten Action-Stars. Meine erste Begegnung mit den MUSCELS FROM BRUSSELS war der Kampfsport-Klopper BLOODSPORT (1988), und ich war von der akrobatischen Attitüde des Kampfstils absolut hin und weg. Auch in den nächsten Filmen schaffte es van Damme mein Action-Herz zu erobern, wie mit dem, von John Woo inszenierten, Spektakel HARD TARGET (1993), der heute noch ganz oben auf meiner Top-Liste meiner liebsten Actionfilme zu finden ist. Seit der Gute jedoch in Osteuropa billig produzierte B-Ware dreht, ist sein Stern auch bei mir gesunken und er rangiert mit seinen Streifen zwar qualitativ immer noch über Kollegen wie Dolph Lundgren und Steven Seagal, die offensichtlich überhaupt nicht mehr wählerisch in ihrer Rollenauswahl sind, jedoch so richtig gebracht hat es keiner seiner Filme seit Ende der 90er Jahre. Doch dann kam JCVD (2008), in dem sich van Damme selbst spielt, als gefallener, melancholischer, von Geldsorgen gebeutelter Ex-Star. Ein kleiner Genie-Streich, der nicht die Aufmerksamkeit erhalten hat, wie er es verdient hätte. Auch sein kurzzeitiges Kino-Comeback als Bösewicht in THE EXPENDABLES 2 (2012), die Wichsfantasie aller Actionfans, brachte keinen nachfolgenden Erfolg. Auch seine selbstironische Comedyserie JEAN-CLAUDE VAN JOHNSON wurde nach nur einer kurzen Staffel von AMAZON abgesetzt. Nun probiert Jean-Claude es mit THE BOUNCER (2018), einem kleinen, eher ruhigen Film, und beweist mal wieder, dass ein kleiner Charakterdarsteller an ihm vorbei gegangen ist. Denn die Action-Ikone macht als bodenständige Figur (mal wieder) einen verdammt guten Eindruck!

Handlung:
Der ehemalige Bodyguard Lukas (Jean-Claude van Damme) arbeitet als Rausschmeißer in einer französischen Techno-Disco. Das Gehalt ist zwar nicht gerade die Erfüllung, doch Lukas hat keine andere Wahl, um für seine Tochter Sarah (Alice Verset) zu sorgen, nachdem seine Frau bei einem Raubüberfall in Südafrika ums Leben kam. Bei einer Auseinandersetzung mit einem pöbelnden Gast, passiert jedoch ein tödlicher Unfall und Lukas befindet sich in der Bredouille. Parallel heuert er bei dem dubiosen Nachtclubbesitzer Jan (Sam Louwyck) an. Dies ruft den Regierungsbeamten Zeroual (Sam Bouajila) auf den Plan, denn der möchte dem Clubbetreiber, aufgrund mehrerer vermeintlicher Delikte (unter anderem Falschgeld im großen Stil), ans Leder. Er bietet Lukas einen Deal an: Wenn er als persönlicher Spitzel agiert und ihm regelmäßig Informationen über Jans Aktivitäten liefert, sorgt er dafür, dass der unglückliche Todesfall keine Folgen hat. Lukas willigt ein und gerät immer weiter in einen Strudel aus Kriminalität, mit Druck von beiden Seiten.

THE BOUNCER distanziert sich bewusst vom sonstigen Einerlei und setzt wesentlich mehr auf Atmosphäre als die üblichen Werke seines bekannten Hauptdarstellers, denn der Independent-Film ist weniger ein typischer Action-Reißer, sondern mehr ein kühles Drama, mit Anleihen einer Milieustudie. Schon der Beginn zeigt, in welche Richtung die folgenden 90 Minuten gehen. Statt in einer typischen Action-Sequenz durch die Gegend zu tänzeln, zeigt sich van Damme hier als müde Type, die mit Kapuzenpulli zur Arbeit geht. Ein dröhnender Nachtclub, eine feiernde Meute und mittendrin ein leer dreinblickender Jean-Claude, der darauf wartet, dass er irgendjemanden zur Tür bringen muss. Das Drehbuch von Jérémie Guez legt die Geschichte sehr bodenständig an und charakterisiert unseren Protagonisten als handelsüblichen Mann, der sich zwar wehren kann wenn es sein muss, aber kein Karate-Ass ist. Das ist sehr erfrischend, denn so konzentriert sich der Film mehr auf seine Story und die Charaktere, als auf Schauwerte. Ersteres geht recht langsam von Statten und man versucht die Geschichte konsequent zu entwickeln. So gerät Lukas immer mehr in kriminelle Schwierigkeiten, nicht weil er es will, sondern weil er muss. Dabei ist die Hauptfigur auch die Interessanteste des Films. Van Damme zeigt einmal mehr, dass er schauspielern kann, denn obwohl seine Dialoge recht begrenzt sind, holt der belgische Martial-Artist viel mit seiner Gestik und Mimik heraus. Man kann ihm den müden, gebrochenen und desillusionierten Untergebenen förmlich aus dem Gesicht lesen. Wenn er seine Emotionen am Box-Sack auslässt, dann bekommt der Zuschauer wirklich starke Momente geboten. Das kaschiert allerdings nicht immer die Formelhaftigkeit der Geschichte, in der vieles nach Schema F verläuft. Dass die Tochter irgendwann als Druckmittel herhalten muss, ist ebenso wenig überraschend, wie die Entwicklung der Ereignisse. So geht THE BOUNCER irgendwann erzählerisch die Luft aus.

Im Kontrast dazu steht die tolle Inszenierung des Regisseurs Julien Leclercq. Dieser versucht, getreu der Prämisse, den Film bodenständig zu halten. In kühlen, entsättigten Farben getaucht begleiten wir Lukas bei seiner Geschichte. Dabei zeigt Leclercq immer wieder die Mechanismen der Unterwelt, mit all ihren verkommenen Abläufen, die somit nicht nur Lukas sauer aufstoßen lassen, sondern auch den Zuschauer. Die Kamera ist immer nah am Geschehen, besonders bei den famosen Plansequenzen, in der wir Jean-Claude van Damme aus der Third-Person Perspektive folgen. Besonders in einer Action-Szene, in der Lukas einen Drogenkoch aus einem abgelegenen Haus entführen soll, kommt diese Technik besonders zur Geltung. Fast ohne erkennbaren Schnitt gedreht, hat man das Gefühl, man ist selbst im Raum, was für ein spannendes Seherlebnis sorgt. Das bleibt aber leider das einzige temporeiche Highlight des Films, denn das Budget schien sichtbar knapp gewesen zu sein. Das sorgt aber für eine gewisse Authenzität, die man bei Filmen van Dammes sonst eher nicht bekommt.

Fazit:
Mit THE BOUNCER (2018) zeigt Jean-Claude van Damme mal wieder, dass in ihm mehr steckt, als der typische Action-Held. Nahbar, verletzlich und gänzlich desillusioniert gibt er sich in Julien Leclercqs Drama. Die kühle, bodenständige Inszenierung ist wirklich gelungen, kann aber nicht den formelhaften Plot und die etwas klischeebeladenen Nebenfiguren kaschieren. Auch wenn er nicht an JCVD (2008) heran kommt, ist THE BOUNCER die beste schauspielerische Leistung, die van Damme seitdem abgeliefert hat. Für Indie-Fans und van Damme-Jünger sehenswert!

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